Sommeruniversität 2023 – E UMGANG MIT GESCHICHTE – ZUGANG ZU KULTUREN

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Seminare

Es werden die folgenden Seminare angeboten:

E 1 / Queere Räume in der Geschichte: Von Frei-, Zwangs- und Zwischenräumen

In Münster, Schauplatz der ersten homosexuellen Demonstration in Deutschland im Jahr 1972, gehen wir in diesem Seminar queeren Räumen in der Geschichte nach. An welchen Orten sind gleichgeschlechtliche Sexualität und Beziehungen historisch überliefert? Wo fanden Personen, die Geschlecht nicht normativ verkörperten, Raum dazu? Wie konnte in homo- und transphoben Gesellschaften queeres ­Begehren gelebt werden: Welche Rolle spielten selbst geschaffene Räume, und inwiefern konnten queere Personen auch heteronormative Räume queeren? Was sind queere Raumpraktiken wie Cruising oder U-hauling? Was hat Raum überhaupt mit queerer Subjektwerdung zu tun, also damit, dass Menschen sich als homo-, bi -oder transsexuell, schwul oder lesbisch, trans, queer, non-binär verstehen?

Die Beschaffenheit von Räumen, ihre Offenheit oder Geschlossenheit, Einsehbarkeit oder ­Verborgenheit, ihre landschaftliche oder architektonische Gestaltung und viele weitere ­Koordinaten können Menschen bestimmtes Handeln, aber auch bestimmtes Selbst-Werden ermöglichen oder verunmöglichen. Dabei wird der Raum nicht nur physisch, also zum Beispiel durch Häuser, Straßen, Bäume hergestellt, ­sondern auch sozial, durch menschliches Agieren: durch immer wieder beschrittene Wege zur Schule oder Arbeit, durch Blicke, Pfiffe oder Bemerkungen in der Öffentlichkeit, durch Gesten, die ausschließen oder willkommen heißen.

Diese Wechselwirkungen der Raumproduktion diskutieren wir anhand von Texten aus der Raumtheorie, der queeren Geografie und Geschichte, anhand von Filmen, historischen Quellen, Begegnungen und Exkursionen im Münsteraner Stadtraum. Dabei nehmen wir private und öffentliche Räume in den Blick, Freiräume wie Kneipen, Clubs oder queere Zentren, Zwangsräume wie Schulen, Psychiatrien oder Gefängnisse. Unser Fokus wird dabei auf Deutschland im 20. Jahrhundert liegen, Ausflüge in andere Epochen und Weltgegenden sind aber auch vorgesehen.

Seminarleitung: Dr. Andrea Rottmann
Veranstaltungsort: Münster

Zeitraum: 13. März bis 17. März 2023
Dauer: 5 Tage

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E 2 / »Die zweite Generation zwischen zwei Kulturen – Dynamiken der Postmigration« oder »Die Generation ›Dazwischen‹ in Bewegung: Eine andere Sicht der Dinge«

Die Idee des Postmigrantischen, die in den letzten 20 Jahren im deutschsprachigen Raum entwickelt wurde, plädiert für einen Perspektivenwechsel, das bedeutet, historische Entwicklungen und aktuelle Verhältnisse, die sich auf Migrationsprozesse und -geschichten beziehen, aus der Erfahrung und Perspektive ­der Migration zu überdenken. In diesem ­Zusammenhang werden insbesondere drei Perspektiven diskutiert: a) Migrationsgeschichten neu und anders erzählen, b) postmigrantische ­Generation – Generation »Dazwischen« und c) Migration als Perspektive.

In diesem Seminar werden wir uns auf den zweiten Aspekt konzentrieren und zeigen, wie sich die Generation »Dazwischen« neu erfindet. Im Mittelpunkt stehen dabei Geschichten und Perspektiven derjenigen, die keine Migrationserfahrungen im klassischen Sinne haben, sondern ihren »Migrationshintergrund« als ­Wissen und kulturelles Kapital mitbringen.

Anhand von Beispielen wird gezeigt, wie die postmigrantische Generation die Migrations­erfahrungen ihrer Eltern und Großeltern ­aufgreift, neu interpretiert und auf ihre eigene Weise verarbeitet. Solche Erfahrungen scheinen für ihre Lebensentwürfe und Zukunftsvisionen von Bedeutung zu sein. Sie erzählen andere Geschichten, stellen andere Fragen, entwickeln spezifische Biografien, fordern ein Recht auf Selbstbestimmung und schaffen so ihre eigenen Möglichkeitsräume. Das Leben zwischen beziehungsweise in verschiedenen Welten, das im Kontext von Migration bisher als »Zerrissenheit« oder allgemeiner als »Leidensprozess« beschrieben wurde, gewinnt für diese Generation zunehmend an biografischer Relevanz.

Ähnlich wie ihre Eltern oder Großeltern scheinen auch sie in der Lage zu sein, mit mehr­deutigen und ­ambivalenten Lebensrealitäten umgehen zu können. Für sie ist das »Dazwischensein« Teil ihrer Lebensgestaltung. Es ist eine Art kreative Desorientierung, wie die ­folgenden Sätze des Rappers Dino Izic aus Wien prägnant zum ­Ausdruck bringen: ­»Mittlerweile fühle ich mich angekommen, weil ich gemerkt habe, dass dieses Dazwischen das ist, was mich ausmacht.« Folgende Aspekte werden im Rahmen des ­Seminars gemeinsam bearbeitet

  • Was ist postmigrantisch?
  • Wer ist »Ich«? / Wer ist »Wir«? (Erstellung von Bio­grafie-Protokollen)
  • Praktiken und Artikulationsformen der ­Generation »Dazwischen« (zum Beispiel ­Migrantenstadl, Kanak ­Attak, Datteltäter, die Migrantigen, der Stammtisch in Istanbul)
  • World-Café mit kreativen Zugängen und transformative Methoden im Kontext von Postmigration

Das Seminar wird kreativ und inklusiv sein. Alle Teilnehmenden mit ihren eigenen Perspektiven und biografischen Ressourcen werden in die Gestaltung einbezogen. Um ihre Ideen und ­Erfahrungen sichtbar zu machen und als Kommunikationsressource zu nutzen, werden in der ersten Phase »Biografie-Protokolle« erstellt. Um die gemeinsame Diskussion voran­zutreiben, werden Kurzfilme gezeigt. Darüber hinaus sind Kurz- und Gastvorträge sowie eine Exkursion nach Dresden unter dem Motto »Stadt ist Migration – Stadt ist Vielheit« geplant.

Seminarleitung: Prof. Dr. Erol Yildiz
Co-Leitung: Herr Ass. Prof. Dr. Jasmin Donlic
Veranstaltungsort: Meißen

Zeitraum: 18. September bis 22. September 2023
Dauer: 5 Tage

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E  3 / Fakt und Fiktion: Imaginationsraum »Süden«

Gängige Vorstellungen vom mediterranen Süden zeichnen einerseits das Bild von sonnigen Stränden, historischen Stätten und Dolce Vita, andererseits von Armut, Korruption und Chaos. Wie kam es dazu? Zur Klärung dieser Frage untersuchen wir in diesem Seminar ausgewählte Episoden aus der Geschichte des mediterranen Südens. Etablierte Interpretationen kultureller Identitäten sowie historische, musik- und ­medienwissenschaftliche Beispiele aus der ­internationalen Kulturgeschichte werden analysiert, um grundlegende (Dis-)Kontinuitäten der Idee des Mediterranen zwischen Geschichte und Imagination, Fakt und Fiktion aufzudecken. Im Verlauf des Seminars zeigt sich, wie »der Norden« sukzessive »den Süden« mitsamt des ­Mittelmeerraums konstruierte – vom Land, »wo die Zitronen blühn« über den Eurovision Song Contest, McDonald’s, die Allianz-Versicherung und Gioachino Rossini bis hin zur ­EU-Krise. Ziel der Veranstaltung ist es, dazu anzuregen, stereotype Vorstellungen über »das Mediterrane« in Hinblick auf die europäische Identität beziehungsweise Diversität historisch einzuordnen und gegebenenfalls zu überwinden.
Die Arbeit am Thema erfolgt unter drei Gesichtspunkten:

  • Idee des mediterranen Südens (Geschichte, Theorie, Geografie, Forschungsstand)
  • Prototyp Italien (Imagebildung, Besonderheiten und internationale Varianten, medienübergreifende und interdisziplinäre Fall­beispiele vom 18. bis zum 21. Jahrhundert)
  • Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven (Diskurse, Medien, Tourismus, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Forschung)

Die Gestaltung des Seminars basiert neben intensiver Diskussion der ausgewählten Lektüren auf konzentrierten Einführungen in die Geschichte und Theorie des Mediterranen. Hinzu kommt die Analyse ausgewählter Bild-, Text- und Klangquellen in thematischen Kleingruppen mit integrierten Kurzpräsentationen und ­gemeinsamen Reflexionen. Das Programm soll durch eine Exkursion rund um das Thema ­»Italienbilder« in die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden abgerundet werden.

Seminarleitung: Dr. Carolin Krahn und Dr. Antonio Carbone
Veranstaltungsort: Meißen

Zeitraum: 18. September bis 22. September 2023
Dauer: 5 Tage

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E 4 / Coming of Age in der Literatur

Coming-of-Age-Romane erzählen die Geschichte von Held*innen, die sich in der Übergangsphase von Kindheit zum Erwachsensein befinden. Es handelt sich um Entwicklungs- und Bildungsgeschichten, in denen wir Figuren folgen, die verschiedene Hürden überwinden und mit der Notwendigkeit konfrontiert ­werden, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.

Durch erlebte Rede, innere Monologe und Bewusstseinsströme erscheinen uns die Figuren sehr nah und bieten hohes Identifikations­potenzial, wozu auch das Erzählen aus der Ich-Perspektive beiträgt (vergleich Gansel 2011). ­Darüber hinaus finden wir heute sehr multiple Formen des Coming of Age. Seit der Popu­larisierung des Entwicklungsromans durch ­Goethes Wilhelm Meister haben sich nicht nur Settings und Held*innen in der Coming-of-­Age-Literatur weiterentwickelt, ebenso verschwimmen in der Gegenwart Alters- und Identitätsgrenzen. Das Seminar beinhaltet vier Blöcke:

  • Coming of Age: Genre und Spezifika
  • Erzählerische Ansätze: Figuren, Settings, Handlungsstrukturen
  • Lektüren: Vom Entwicklungsroman zur Held*innenreise
  • Coming of Digital Age? – Zukunftsprognosen

Das Seminar gliedert sich in Theorie- und Praxisphasen, die eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Gegenstand ermöglichen. Wir werden gemeinsam Genre-Fragen diskutieren, Lektüren besprechen und eigene literarische Konzepte entwickeln. Im Mittelpunkt der praktischen Arbeit stehen Figuren- und Handlungsentwicklung.

Seminarleitung: N.N.
Veranstaltungsort: Meißen

Zeitraum: 18. September bis 22. September 2023
Dauer: 5 Tage

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