Seminare
Es werden die folgenden Seminare angeboten:
- C 1 / Radicalism: Still Contradictory But Nevertheless Justifiable
- C 2 / Humor und Lachen gestern und heute im Alltag und in den Medien
- C 3 / Klimagerechtigkeit und koloniale Kontinuitäten in der internationalen Klimadiplomatie
- C 4 / Große Leut‘, kleine Leut‘, dicke Leut‘, dünne Leut‘ … – alle im Sport vereint!? Soziale Ungleichheit im Sport von früher bis heute
- C 5 / Noch mehr Liebe! – Beziehungs- und Familienmodelle im Wandel
C 1 / Radicalism: Still Contradictory But Nevertheless Justifiable
Although the etymon of ‘radical’ harks back to the idea of grasping things by the root and bringing about transformative change, radicalism remains a contradictory idea. At once utopian and dystopian, attractive and repulsive, condonable and condemnable, radicalism is claimed by opposing and polarizing forces that paradoxically instill the idea’s own radical potential at cross-purposes. Rather than dismissing the contradictions wrought by radicalism, this seminar will engage with them as productive tensions that help to situate radicalism in different traditions of thought shedding light on its local and historical contexts. The seminar will therefore explore questions such as how does the weaponization of the terms ‚radical/radicalized‘ by the state, politicians, or the media entangle dissenters in terrorism? What can we still learn when we engage with radicalism within a genealogy of the history of ideas? How can we liberate the concept of radicalism from extremism as well as from hegemonic western forces which use it to justify Islamophobia? Which radical actions are nevertheless justified and which ones deserve condemnation? The seminar will also introduce students to the idea of radical activism under which we will explore notions of radical love and kindness, as well as explore the radical potential in forms such as (student)protests, riots, and social media. As such, the seminar will not only draw from eurocentric notions of radicalism (eg as to be found in some traditions of political theory or philosophy) but will showcase the diversity of radicalism by also drawing from the Black radical tradition, anti-colonial movements and feminist thought. Theoretical and historical texts on radicalism will be made available to seminar participants and you will be expected to read all assigned texts before we are due to discuss them in the seminar.
During the seminar and depending on the number of participants, we will reserve time where each student or a group of students will present on radicalism in relation to a topic of their choice or they can choose a research topic from a list which will be made available in due course. The aim of this exercise is to give a chance to the seminar participants to apply the theoretical discussions to a specific case study. All seminar participants will be expected to prepare and take part in this exercise.
Seminarleitung: Dr. Deborah Nyangulu
Veranstaltungsort: Wittenberg
Zeitraum: 16. - 20. September
Dauer: 5 Tage
C 2 / Humor und Lachen gestern und heute im Alltag und in den Medien
Mit dem Spaßen ist bekanntlich nicht zu spaßen. Im Humor stecken Kombinationsgabe, Kreativität, Souveränität und der eigenwillige Blick auf die Welt. Auch Machtverhältnisse lassen sich in Lachkulturen rekonstruieren, können diese bekräftigen oder unterlaufen. In der Woche beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Facetten von Komik und Humor, u. a. mit linguistischen und soziologischen Humortheorien und mit besonderen historischen Konstellationen. Weil konventionelle Bedeutungsherstellung auf unterschiedlichen Ebenen automatisiert wird, kann man zum Erzielen ästhetischer oder humoristischer Effekte von den prototypischen Mustern abweichen. Sprachspiele gehören genau deshalb zum humoristischen Verhaltensrepertoire von Erwachsenen und Kindern. Sie können alle Ebenen des Ausdrucks betreffen. Anhand einiger Sketche von Loriot und eines Films steigen wir in die Analyse von Komik und Humor ein. Im Humor zeigen sich durchaus auch Geschlechterunterschiede. Frecher Humor passte nicht zum Ideal der feinen Dame. Bis in die fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein wurden Damen in Etikettefibeln sogar angewiesen, nur ja nicht zu laut zu lachen. Seither hat sich viel getan. Inzwischen spielen Komiker*innen auf allen Bühnen eine Rolle. Wir beschäftigen uns mit der Geschichte von Gender in der Medienkomik. Die Teilnehmenden sollen eigene Beispiele mitbringen und kurze, eigene Analysen dazu vorstellen. Vielerorts wird ein Boom von Comedy-Sendungen und eine verstärkte Verwendung humoristischer Elemente in anderen medialen Genres konstatiert.
Vor 20 Jahren wurde noch bemerkt, dass Humorkommunikation penetranter, aggressiver und respektloser geworden sei. Kaum ein Tabu bleibt verschont, sei es religiöser, politischer, moralischer oder erotischer Natur. Heute wird vielfach konstatiert, dass eine neue Hypersensibilität Medienhumor zahnlos gemacht habe. Ist das so? Wir werden dem nachgehen. Als im Januar 2015 ein islamistischer Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo verübt und dabei ein großer Teil der Redaktion ermordet wurde, kam es schnell zu einer Welle der Solidarität. Unter dem Slogan »Je suis Charly« versammelten sich in vielen Städten Tausende von Demonstranten, um ihre Abscheu vor dem Attentat und ihre Solidarität mit der Zeitschrift auszudrücken. Gleichwohl blieb die Zeitschrift hochgradig umstritten und provokant – insbesondere im Umgang mit Sexualität und mit Religion. Ohnehin scheinen die Grenzen des Humors bei den französischen Satirezeitschriften deutlich weiter gestreckt als in anderen Ländern. Sehen die einen hierin die Verteidigung einer spezifisch französischen Tradition, einer vor nichts und niemandem zurückschreckenden Satire, erheben andere immer wieder den Vorwurf von sexistischen und rassistischen Tendenzen. Durch die Beschäftigung mit satirischen Darstellungen in Charly Hebdo und der Vorgängerzeitschrift Harakiri soll erkundet werden, wieweit die Vorwürfe treffen bzw. inwieweit sie durch die Darstellungen selbst unterlaufen werden.
Als Flüsterwitze gelten politische Witze, die in Diktaturen, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus im Privaten ausgetauscht wurden, um sich über das Regime und über die Machthaber lustig zu machen. Die Frage allerdings, ob derartige Witze eher eine subversive Wirkung hatte oder aber nur ein Ventil waren und damit vielleicht sogar systemstabilisierend wirkten, ist kaum eindeutig zu beantworten.
Seminarleitung: Prof. Dr. Helga Kotthoff, Prof. Dr. Jörg Requate
Veranstaltungsort: Villigst
Zeitraum: 12. - 17. August 2024
Dauer: 6 Tage
C 3 / Klimagerechtigkeit und koloniale Kontinuitäten in der internationalen Klimadiplomatie
Klimagerechtigkeit umfasst sowohl die ökologische als auch die soziale Frage – denn Klimaschutzmaßnahmen sollten auch sozial ausgestaltet werden. Klimaungerechtigkeit existiert auf verschiedenen Ebenen: Es besteht ein Ungleichgewicht in der Verantwortung (Höhe der [historischen] Emissionen), in der Betroffenheit durch die Klimakrise, in den (finanziellen) Möglichkeiten, sich an die Klimakrise anzupassen und in unterschiedlichen Möglichkeiten, an der internationalen Klimadiplomatie teilzuhaben.
Die Forderung nach »Klimagerechtigkeit« ertönt auf vielen Demonstrationen und wird im allgemeinen Sprachgebrauch immer präsenter. Doch was verbirgt sich hinter diesem Wort tatsächlich? Gemeinsam untersuchen wir, wie das Konzept entstanden ist und wer es geprägt hat. Wir finden Beispiele und wenden es auf aktuelle Diskussionen an. Klimagerechtigkeit lässt sich in verschiedene Ebenen ausdifferenzieren und wird von verschiedenen Autor*innen unterschiedlich definiert – dies schauen wir uns an. Außerdem schaffen wir Verbindungen zum Begriff Umweltrassismus und zum Thema koloniale Kontinuitäten. Zu Wort kommen werden auch Klimaaktivist*innen aus besonders von der Klimakrise betroffenen Regionen, denn wir wollen von ihren Perspektiven lernen. Wir reflektieren unsere Privilegien und überlegen gemeinsam, wie ein verantwortungsvoller Umgang damit aussehen kann. Darauf aufbauend, entwickeln wir Ideen für mögliche Handlungsoptionen und gleichen dies mit den Erkenntnissen führender Bewegungsforscher*innen ab. Als Fallbeispiel schauen wir uns Klima(un)gerechtigkeit in der internationalen Klimadiplomatie an. Wie spiegelt sich die globale Machtverteilung in den Teilnehmendenzahlen wider? Wer wird politisch gehört? Und welche Machtdynamiken spielen im Klimadiskurs – historisch wie aktuell – immer noch eine Rolle? Und was müsste passieren, um sie abzuschaffen? Ist das überhaupt realistisch?
Wir untersuchen wo sich koloniale Kontinuitäten im Weltwirtschafts- und Finanzsystem wiederfinden lassen, wo deren Ursachen liegen und welche Ansätze und Initiativen es dagegen bereits gibt.
Wir setzen uns mit wissenschaftlichen Texten, aktuellen Stimmen aus der akademischen Debatte und aktiven Klimaaktivistinnen auseinander. Dabei wechseln sich Textarbeit mit Gruppendiskussionen ab. Unterschiedliche methodische Aufbereitungen ergänzen das Seminar.
Seminarleitung: Silke Bölts
Veranstaltungsort: Haus Villigst
Zeitraum: 12. - 17. August 2024
Dauer: 6 Tage
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C 4 / Große Leut‘, kleine Leut‘, dicke Leut‘, dünne Leut‘ … – alle im Sport vereint!? Soziale Ungleichheit im Sport von früher bis heute
»Das Leben im Sport ist bunt!« Mit diesem Slogan warb die Deutsche Sportjugend im Jahr 2021 dafür, mehr Bewegungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Doch ist Sport wirklich so bunt, wie es suggeriert wird? Zum einen trifft dies zu, erreicht er doch eine große Heterogenität an Zielgruppen. Doch zum anderen ist gerade der Sport schon allein mit einer geschlechtlichen Vielfalt beinahe überfordert. Die institutionellen Arrangements im Sport sind von einer tiefen Einschreibung der Geschlechterdifferenzen geprägt, die insbesondere auf die Körperzentrierung des traditionellen Sports zurückzuführen ist und ihn für soziale Phänomene der Geschlechtsunterscheidung nahezu blind macht (vgl. Hartmann-Tews / Rulofs 1998: 80).
So wird bis heute gern auf die Bedeutung des menschlichen Körpers und seiner physiologischen Parameter hingewiesen und mit der Fixierung auf maximale Leistungen in den meisten praktizierten Sportarten bleibt die geschlechtliche Trennung in ein binäres Männer- und Frauensystem etabliert. Beispiele zeigen, dass Frauen dort, wo sie gegen Männer antraten und siegten (vgl. Zhang Shan, Olympia 1992), direkt ausgegrenzt wurden. Was also ist es noch, was gemeinsamen Sport aller Geschlechter verhindert? Warum ist Kleidung weiblicher Athletinnen häufig im Gegensatz zur Kleidung männlicher Athleten extrem körperbetont und in vielen Fällen nicht wirklich praktisch, aber sehr wohl sexistisch?
Schon im Bereich der binären Geschlechter männlich und weiblich sind im Sport also viele Ungleichheiten festzustellen, gravierender wird die Lage noch, wenn weitere Diskriminierungen wegen Herkunft, Migrationshintergrund oder Behinderung hinzukommen oder das binäre Geschlechtermodell aufgebrochen wird. Dennoch gewinnen Fragen zum Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt sowohl in (inter)nationalen Sportorganisationen und in der Sportpolitik als auch im (sport)wissenschaftlichen Kontext zunehmend an Bedeutung. Grund dafür sind unter anderem international bedeutsame Debatten über Geschlechterverifikationsverfahren und die Teilhabe von inter*, trans* und nichtbinären Athlet*innen am Sport. Das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) verpflichtet alle gesellschaftlichen Institutionen dazu, Diskriminierungen jedweder Art zu verhindern oder zu beseitigen, und die »dritte Option« beim Geschlechtseintrag erkennt an, dass Geschlecht komplexer ist, als dies eine dichotome Einteilung in Männer und Frauen suggeriert. Eben dies stellt den Sport vor die Herausforderung, diese Komplexität zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen, wie (Geschlechter-)Diskriminierung im Sport zukünftig vermieden werden kann. Während erste Sportverbände im Amateurbereich die klare Trennung zwischen binären Geschlechtern aufheben, ist trotzdem in weiten Bereichen der Sportwissenschaft, -politik und vor allen Dingen der sportlichen Praxis kaum Bewegung zu erkennen. Überhaupt gibt es innerhalb der Sportwissenschaften in Deutschland bislang kaum Ansätze, die die Komplexität sozialer Ungleichheit allgemein im Sport als Zusammenhänge verschiedener Differenzkategorien systematisch in den Blick nehmen und auch intersektionale Verflechtungen aufzeigen.
Das Seminar nimmt das weite Themenfeld sozialer Ungleichheit auf, setzt allerdings den Schwerpunkt in der Kategorie Geschlecht und Gender und nimmt besonders Sportarten in den Blick, in denen sich Mixed Teams etabliert haben oder die als »genderneutral« gelten. Anhand von Sportarten wie Ultimate Frisbee, Volleyball und Quidditch soll untersucht werden, wie Sport geschlechtliche Diskriminierung abbaut, den Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe und den immer weiteren Abbau sozialer Ungleichheit fördern kann. Referent*innen zum Thema sind geplant, ein Ausflug zum Ultimate-Frisbee- Team in Leipzig ist angedacht und sportpraktische Einheiten werden inkludiert.
Seminarleitung: Friederike Faß, Marie-Lena Döring
Veranstaltungsort: Wittenberg
Zeitraum: 16. - 20. September 2024
Dauer: 5 Tage
C 5 / Noch mehr Liebe! – Beziehungs- und Familienmodelle im Wandel
In einer Partnerschaft Liebe, Glück und Geborgenheit zu finden – das steht als Wunsch und Ideal nach wie vor hoch im Kurs, gerade auch bei der jüngeren Generation. Gleichzeitig bekommen die romantische Zweierbeziehung und die klassische Kleinfamilie, bestehend aus Mutter, Vater, Kind, Konkurrenz durch eine Vielzahl anderer, »nichtkonventioneller« Lebensund Beziehungsweisen. Zu heiraten, sich langfristig an eine einzige Person zu binden oder Kinder (ausschließlich) zu zweit zu erziehen, stellen heutzutage keine Allgemeinverbindlichkeiten mehr dar. Auch die traditionelle, geschlechtsspezifische Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit gilt mittlerweile weithin als überholt – selbst, wenn sie in der Praxis noch längst nicht allerorts überwunden ist.
Neben den Beziehungsformen und -praxen wandelt sich auch der Diskurs: Statt als Resultat gesellschaftlicher Normen und Traditionen gilt die Gestaltung des Beziehungs- und Familienlebens zunehmend als Sache persönlicher Wahlentscheidungen, privater Aushandlungen und individueller Selbstverwirklichung. Und anstatt sich darauf ausruhen zu können, durch eine höhere Macht (Eltern, Gott, Natur, Schicksal ...) für einander bestimmt zu sein, sind Beziehungspartner*innen nunmehr dazu aufgefordert, fortgesetzt an sich und der Beziehungsqualität zu werkeln, da Liebe eben auch Arbeit sei. Im Seminar beschäftigen wir uns mit Beziehungs- und Familienmodellen der Gegenwart und Zukunft. Wir vergegenwärtigen uns historische wie aktuelle gesellschaftliche Diskurse und Entwicklungen, die unsere Vorstellungen von Liebe, Zusammenleben und Elternschaft prägen.
Schwerpunktmäßig widmen wir uns »alternativen« Beziehungs- und Familienmodellen, darunter polyamore und queere Beziehungen und Elternschaften, freundschaftszentrierte Lebensweisen, Patchworkfamilien und Co-Parenting. Zum einen betrachten wir die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, zum anderen die Bedeutung, die die jeweilige Lebensweise für die Individuen – und damit auch für uns selbst – hat. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir der Frage, ob und inwiefern im Zuge des Wandels von Beziehungen und Familie auch Geschlechterrollen und gesellschaftliche Ungleichheiten aufgebrochen oder fortgeschrieben werden. Die Teilnehmenden sind eingeladen, zentrale Ansätze, Erkenntnisse und Methoden der interdisziplinären Kritischen Beziehungsforschung kennenzulernen, anzuwenden und weiterzudenken.
Gemeinsam erschließen wir uns einschlägige Texte, Bild- und Tonmaterialien und führen überdies auch eigene kleine Erhebungen und Analysen durch. Bei alldem nehmen wir uns viel Raum für interaktives Arbeiten, Diskussionen und Reflexionen.
Seminarleitung: Gesa Mayer
Veranstaltungsort: Haus Villigst
Zeitraum: 12. - 17. August
Dauer: 6 Tage