Sommeruniversität 2023 – C GESELLSCHAFTSANALYSE UND HANDLUNGSPERSPEKTIVEN

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Seminare

Es werden die folgenden Seminare angeboten:

C 1 / Jugend im Dazwischen – geflüchtete junge Menschen in Deutschland

Die Lebensrealitäten geflüchteter junger Menschen in Deutschland sind so vielfältig wie sie selbst es sind. Ihre jeweilige Situation ist auch abhängig davon, ob sie mit ­Familie oder »unbegleitet« in Deutschland sind. Gemeinsam ist vielen der jungen Menschen, dass sie eine Jugend im »Dazwischen« erleben: zum Beispiel zwischen Zukunftswünschen und un­sicherem Aufenthaltsstatus, zwischen menschen- und kinderrechtlichen Ansprüchen und einer Wirklichkeit, in der diese Rechte verletzt werden. Das Seminar beleuchtet die Strukturen und Umstände, in denen sich geflüchtete ­junge Menschen in Deutschland wiederfinden. Dabei werden auch relevante asyl- und jugendrechtliche Zusammenhänge behandelt.

Verschiedene Hürden stehen der selbstbestimmten Zukunftsgestaltung und gesellschaftlicher Teilhabegerechtigkeit entgegen – etwa eine problematische Unterbringungssituation, ­fehlende Mitbestimmung und Rassismus. Daran schließen wichtige Diskussionsfragen an:
Wie könnten gesellschaftliche Strukturen aussehen, die den jungen Menschen Sicherheit und Perspektiven bieten? Was ist Rassismus­kritik? Welche Unterstützungssysteme und Empowerment-Räume braucht es?

Das »Dazwischen« nach der Flucht lässt sich besser verstehen, wenn der Blick auch für Fluchtursachen und -umstände geöffnet wird. Faktoren, die zur Flucht zwingen, werden oft zum Beispiel durch globale Ungleichheiten, durch ­Politiken und die Lebensweise des »Globalen Nordens« verursacht oder verschärft. Gleichzeitig schottet sich Europa ab. So müssen geflüchtete Kinder und Jugendliche in Lagern an den EU-Außengrenzen in einem menschenunwürdigen Zustand des »Dazwischen« ­ausharren. Das ­Seminar spannt den Bogen, thematisiert diese Zusammenhänge und fragt nach den Möglichkeiten, sie zu verändern.

Fachliche Inputs, Gruppenarbeiten, interaktive Reflexionsübungen – durch Methodenvielfalt werden verschiedene Zugänge zu den Themen hergestellt. Es wird relevantes Faktenwissen vermittelt und zur (Selbst-)Reflexion sowie zur gemeinsamen Diskussion über Handlungsstrategien eingeladen.

Seminarleitung: Mohammed Jouni und Maren Belinchón
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 17. Juli bis 21. Juli 2023
Dauer: 5 Tage

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C 2 / Zwischen_Raum_Planung – vom Wert des »ungenutzten« Raums in Städten

In deutschen Städten gilt ein engmaschiges Planungsregime. Bauvorhaben und Nutzungsänderungen müssen vorab beantragt und ­genehmigt werden. Der Leitgedanke in der deutschen Planungskultur ist, dass aufgrund vieler unterschiedlicher Interessen eine vorausschauende und weitgehende Planung not­wendig ist. Dabei wird die Bedeutung des Gemeinwohls stets hervorgehoben.

Dennoch gibt es Räume, die bewusst oder unbewusst frei gelassen werden. Dies können ­geplante Flächen wie Grünzüge oder Frischluftschneisen sein, aber auch ungeplante Räume wie Industriebrachen, leer stehende Wohn­häuser oder Baulücken. Das Seminar will der Frage nachgehen, welche Rolle diese vermeintlich ungenutzten Räume für die Entwicklung einer Stadtgesellschaft ­haben. Wie kommt es dazu, dass Flächen trotz Wohnungsnot und »Flächenfraß« ungenutzt bleiben? Was kann daraus entstehen? Wie können sie in Wert gesetzt werden, ohne eine einengende Nutzung zu erzeugen? In einem Exkurs wollen wir auch die Frage stellen, was eigentlich »das Gemeinwohl« ist.
Mit zwei externen Referent*innen aus Philosophie und Theologie wird anhand von Bau­projekten aus unterschiedlichen Regionen und Gesellschaftssystemen analysiert, welche Vorstellungen und Narrative von »Gemeinwohl« jeweils prägend sind. Abschließend wollen
wir gemeinsam überlegen, inwieweit auch die »ungeplanten« Räume dem Gemeinwohl dienen und welche Narrative hierbei prägend sind.

Seminarleitung: Dr. Michael Weichbrodt
Veranstaltungsort: Münster

Zeitraum: 13. März bis 17. März 2023
Dauer: 5 Tage

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C 3 / Aktuelle Krisen und die Plurale Ökonomik

Die unsere Gegenwart kennzeichnende multiple Krise äußert sich vielseitig: ob als Pandemie, Klimakrise, Finanzmarktinstabilität oder als soziale und globale Ungleichheit. Zunehmend wird die gemeinsame Grundlage dieser Phänomene, unsere Art des Wirtschaftens, diskutiert. Neben gesellschaftspolitischen Aushandlungsprozessen ist die zugrunde liegende Perspektive, mit der solche Phänomene betrachtet ­werden, entscheidend dafür, wie diese analysiert und welche Lösungsmöglichkeiten verfolgt werden können. Der wirtschaftswissenschaftliche Mainstream, welcher weiterhin zu guten Teilen neoklassisch geprägt ist, nimmt hierbei eine spezifische Stellung ein. Jener ist weiterhin diskursiv hegemonial, wenngleich nicht ohne ­Kritik. Diese Kritik betont die Relevanz unterschiedlicher ökonomischer Perspektiven und Denkschulen, um einen tieferen Einblick in unsere Realität und ihre Krisen zu erhalten – nicht zuletzt, um die Entwicklung von wirtschafts­politischen Alternativen voranzutreiben. Dies sind Kernanliegen der Pluralen Ökonomik. ­Dieses Seminar widmet sich der Pluralen Ökonomik und führt in diese ein. Aufbauend auf wissenschaftstheoretischen Grundlagen werden ausgewählte Denkschulen vorgestellt und diskutiert, ihre Unterschiede zum neoklassisch geprägten Mainstream heraus­gearbeitet und interdisziplinäre Anwendungsfelder auf­gezeigt. Dies geschieht unter anderem mithilfe der E-Learning-Plattform Exploring ­Economics, welche keine oder nur geringe Fachkenntnisse voraussetzt. Das Seminar besteht aus Inputs sowie aus einer umfang­reichen Gruppen­arbeitsphase, in welcher die Teilnehmenden selbstständig unterschiedliche Denkschulen zu einer aktuellen Thematik/Problemstellung in Dialog bringen – beispielsweise das Thema »Inflation« aus neoklassischer, postkeynesianischer und feministischer ­Perspektive. Die Ergebnisse der Gruppen­arbeitsphase werden im Anschluss präsentiert und diskutiert.

Seminarleitung: Kevin Rösch
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 31. Juli bis 5. August 2023
Dauer: 6 Tage

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C 4 / Schutzraum – Tatort – Kompetenzort? Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche

Sexualisierte Gewalt fand und findet in der Evangelischen Kirche statt – einerseits unter Nutzung von persönlichen Machtpositionen, Abhängigkeiten und Seelsorgegeheimnissen, andererseits ermöglicht durch spezifisch ­kirchliche Strukturen und Kulturen. Ob in der Gemeindejugendgruppe, in der diakonischen Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder in der Seelsorge für Erwachsene: Immer wieder erleiden Menschen in Kirche Grenzverletzungen und Missbrauch durch Personen und durch eine Institution, die eigentlich für Vertrauen steht.

Das Seminar wirft den Blick darauf, welche Auswirkungen sexualisierte Gewalt auf Betroffene hat und wie Traumata zu verstehen sind. Wir wollen uns außerdem damit beschäftigen, welche Risikofaktoren Übergriffe überhaupt erst ermöglichen, wie sie die Wahrnehmung dafür erschweren und welche Spezifika protestantische Settings besonders kennzeichnen. Da die Verletzung der eigenen spirituellen Selbst­bestimmung sexualisierte Gewalt begünstigen kann, beschäftigen wir uns auch mit spirituellem Missbrauch.

Und wir fragen: Welche Wege heilsamen Umgangs gibt es in biblischen Texten und kirchlicher Tradition, um diese Erfahrung von Gewalt zur Sprache zu bringen und Betroffene – zum Beispiel in Seelsorge oder im Gottes­dienst – angemessen zu begleiten und zu stärken? Welche Wege und Angebote brauchen sie beziehungsweise wünschen sie sich von ­Kirche, um mit dem Erlebten weiterleben zu können?

Ein besonderes Augenmerk werden wir auf die Herausforderung eines angemessenen Umgangs mit sexualisierter Gewalt vonseiten der Institution(en), ihrer Gemeinden und der ­Diakonie werfen. Vor welchen Herausforderungen steht die Aufarbeitung?

Entsprechende Gastreferent*innen werden derzeit angefragt.

Seminarleitung: Natascha Gillenberg
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 17. Juli bis 21. Juli 2023
Dauer: 5 Tage

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C 5 / Völkische Landnahme im ländlichen Raum

Ob völkische Siedler*innen Mecklenburg-­Vorpommerns, die fernab der Metropolen auf »deutscher Scholle« Radieschen wie nationales Brauchtum pflegen, ob bullige Glatzen, die sich auf der grünen Wiese in der Landstadt Themar versammeln, um den rechten Arm zum dröhnenden Rechtsrock zu heben, oder der eifrige NPD-Mann, der sich in seinem Dorf als »Kümmerer« inszeniert – Rechts­extremismus auf dem Land hat viele Gesichter.

Im Seminar »Völkische Landnahme im ländlichen Raum« gehen wir der Frage nach, warum ländliche Räume für rechtsextreme Strategien überhaupt attraktiv sind. Hierfür erarbeiten wir zunächst, was Rechtsextremismus und Ländlichkeit eigentlich ausmachen. Dabei zeigen wir auf, inwiefern ländliche Räume strukturell vielfältig sind und welche Raumeigenschaften insbesondere rechte Geländegewinne ermöglichen.

Anschließend verschaffen wir uns einen Überblick über die zentralen rechtsextremen Akteur*innen ländlicher Räume. Hierbei er­fassen wir, anhand welcher Merkmale wir die jeweiligen Gruppen erkennen, welche Ideologien sie vertreten und welcher Strategien sie sich bedienen. Anhand konkreter Beispiele ver­anschaulichen wir uns Raum(ordnungs)gewinne und ordnen sie gesamtgesellschaftlich ein.

Schließlich stellen wir die Frage der Verantwortung und entwickeln unter der Berücksichtigung des räumlichen Kontextes gemeinsam Ideen für Maßnahmen gegen rechtsextreme Gelände­gewinne, die von präventiv bis reaktiv, von integrativ bis repressiv ausgestaltet sein können.

Anhand gemeinsamer Textlektüre, Gruppen­arbeiten und Präsentationen werden wir uns Erkenntnisse aus der Soziologie, der Geografie, aber auch der Demokratieförderung und aus autobiografischen Erzählungen aneignen und zusammen kritisch beleuchten. Insgesamt stellt das Seminar einen niedrigschwelligen Einstieg ins Thema »Rechtsextremismus im Kontext ländlicher Räume« dar.

Seminarleitung: Larissa Deppisch
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 17. Juli bis 21. Juli 2023
Dauer: 5 Tage

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