Sommeruniversität 2023 – A THEOLOGIE – RELIGION – KIRCHE

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Seminare

Es werden die folgenden Seminare angeboten:

A 1 / Kirchen. Ketzer. Konvertiten – Konfessionelle ­(Zwischen-)Räume aus kirchen- und theologie­geschichtlicher Perspektiv

Nicht zufällig soll dieses Seminar im westfälischen Münster stattfinden: Die drei Käfige am Turm von Sankt Lamberti zeugen von der ­Niederschlagung des kurzlebigen Münsteraner Täuferreichs (1535), Rathaus und Friedenssaal erinnern an den Westfälischen Friedensschluss (1648) und die Gräuel der Religionskriege des 17. Jahrhunderts. Seit der Reformation im 16. Jahrhundert standen sich nicht nur die ­großen Konfessionskirchen (lutherischen, reformierten und römisch-katholischen Bekenntnisses) gegenüber, es traten auch weitere kleinere, religiöse Bewegungen (wie Mennonit*innen oder Sozinianer*innen) auf den Plan, die als ›Sekten‹ oder ›Schwärmer‹ von den Majoritätskirchen ausgegrenzt wurden. Lange Zeit bestimmte der »Konfessionalismus«, das heißt ein ausgeprägtes konfessionelles Identitäts­bewusstsein in dezidierter Abgrenzung zu ­anderen christlichen Bekenntnissen, die ­Glaubens- und Lebenswelt der Menschen, ihren Alltag, die Gesellschaft, Politik und Kultur.

Inwiefern prägen diese historischen Entwicklungslinien das heutige Selbstverständnis insbesondere der protestantischen Konfessionen (uniert, lutherisch, reformiert, anglikanisch, freikirchlich et cetera)? Sind die innerprotestantischen Konfessionsunterschiede aus ­theologischer, ­gesellschaftlicher und ökumenischer Perspektive noch immer relevant?

Das Seminar widmet sich in vier Einheiten den religiösen, lebensweltlichen und theologischen Umgrenzungen konfessioneller Räume (mit ­besonderer Berücksichtigung des Protestantismus), möchte aber auch (und besonders) die »Zwischenräume«, das heißt die Annäherungen, Überschneidungen und Diffusionen der (vor allem protestantischen) Konfessionen in den Blick nehmen.

Seminarleitung: PD Dr. Patrick Bahl
Veranstaltungsort: Münster

Zeitraum: 13. März bis 17. März 2023
Dauer: 5 Tage

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A 2 / Interreligiosität in Jerusalem

Stadt des Friedens und Schauplatz ewiger Konflikte. Sehnsuchtsort und Heiligtum. Schmelztiegel der Kulturen, Ideologien und Religionen. Ein Ort, an dem das Nebeneinander unterschiedlicher Erfahrungen die Narrative prägt und die politischen und religiösen Forderungen oft unvereinbar aufeinanderprallen.

Das Seminar »Interreligiosität in Jerusalem« nimmt Euch zunächst mit auf eine digitale Tour durch Jerusalem, spirituelles Zentrum der ­abrahamitischen Religionen. Genauer gesagt geht es in die Altstadt, die in ein jüdisches, christliches, armenisches und muslimisches Viertel gegliedert ist. Wir schauen: Wo befinden sich die Heiligen Stätten? Welche Interaktionen gibt es zwischen den unterschiedlichen, dort lebenden Gruppen?

Anschließend geht das Seminar in Präsenz ­weiter. In diesem Teil werden sowohl islam­wissenschaftliche als auch politische und ­historische Aspekte aufgegriffen. Sprechen Villigster*innen über Israel, tun sie das zumeist mit dem ­Wissen um die deutsche Geschichte und die Verantwortung deutscher Erinnerungspolitik. Als Menschen im Evangelischen Studienwerk diskutieren wir über interreligiöse ­Fragestellungen zumeist mit Vokabular und Fragestellungen des Protestantismus. Für beide Zugänge gilt es, in diesem Seminar Zwischen_Räume inter­disziplinär auszuloten und aktiv interreligiöse Perspektivwechsel einzuüben.

Um folgende Leitfragen soll es in diesem ­Seminarteil gehen:

  • Was ist die theologische Bedeutung der Stadt für die jeweiligen Religionen?
  • Was erfahren wir in den heiligen Schriften des Christentums, Judentums und Islams über Jerusalem?
  • Wie überlagert der israelisch-palästinensische Konflikt das ­Geschehen in der Altstadt?
  • Und wie gestaltet sich das Zusammenleben der verschiedenen christlichen Konfessionen in Jerusalem?

Dabei werden die Leitfragen so bearbeitet, dass Zwischentöne Platz finden und hegemoniale Diskurse vermieden werden.

Seminarleitung: Christoph Dinkelaker
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 17. Juli bis 21. Juli 2023
Dauer: 5 Tage

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A 3 / Rituale als Handlungshilfe in Zwischenzeiten

Wenn Menschen an wichtigen Schwellen in ihrer Biografie stehen, befinden sie sich zwischen den Zeiten: Sie stehen einerseits noch im Alten, dem, was vergehen wird, und andererseits schon im Neuen, auf das sie zugehen. Schwellen sind dabei immer auch heikel, nicht nur im buchstäblichen Sinne Stolperfallen – man ist nicht mehr, wer man war, aber auch noch nicht ganz, wer man sein wird, man sitzt ­zwischen den Stühlen. Um solche Schwellen gestalten zu können, greifen Menschen aus verschiedensten Kulturen, Religionen und ­Gesellschaften auf spezielle Rituale zurück. Solche Übergangsrituale – »rites de passage« (Arnold van Gennep) – finden sich an Umbruchs­punkten wie dem Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter. Im westlich-­europäischen Raum wurden diese Schwellen insbesondere durch das Christentum thematisiert und mit den sogenannten Kasualien, also Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Bestattung begleitet. Doch unsere Gesellschaft ist ­säkularisierter und pluralisierter geworden. Alte Rituale scheinen keinen Anklang mehr zu finden, und zugleich tauchen neue Rituale auf.

In diesem Seminar möchten wir solche Übergangsrituale mithilfe ethnologischer, historischer, soziologischer und auch theologischer Methodik genauer verstehen. Wir setzen uns darum mit den Funktionen von Ritualen auseinander, versuchen zu verstehen, wie die Ausgangslage im christlich geprägten Europa ­ausgesehen hat, um dann zu den zentralen Fragen unseres Seminars zu kommen: Was hat sich in der (spät-)modernen Zeit verändert? Welche Auswirkungen hatten und haben gesellschaftliche Prozesse wie Säkularisierung, ­Individualisierung und Pluralisierung? Welche Rituale haben an Evidenz verloren, welche ­Rituale funktionieren immer noch und woran liegt das jeweils? Zum Schluss liegt dann auch die Fragen auf der Hand, welche Rituale gerade neu zu entstehen scheinen und welche Rituale vielleicht noch nicht existieren, die es aber dringend geben sollte.

Seminarleitung: Dr. Elis Eichener
Veranstaltungsort: Haus Villigst

Zeitraum: 31. Juli bis 5. August 2023
Dauer: 6 Tage

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A 4 / Zwischen religiöser Praxis und säkularen Paradigmen in internationaler Entwicklungs- und humanitärer Zusammenarbeit: Partnerschaft von internationalen Organisationen und lokalen Religionsgemeinschaften

Religionsgemeinschaften werden im Kontext internationaler Entwicklungs- und humanitärer Zusammenarbeit als potenzielle Akteure für nachhaltigen Wandel und nachhaltige Unterstützungsstrukturen gesehen. Die Religionsgemeinschaften werden dabei für ihre lokale Vernetzung, ihre Kenntnis der Bedürfnisse vor Ort und für das Vertrauen, das Menschen in sie haben, geschätzt. Wie können Religionsgemeinschaften erfolgreich in internationale Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe eingebunden werden? Damit setzen sich Forschungsprogramme und Praktiker*innen zunehmend auseinander. Dabei ergeben sich mehrere Spannungsfelder: Zwischen säkularen Vorgaben mancher Geberländer und religiösen Anliegen von Gemeinschaften vor Ort, zwischen dem Bestreben, an lokale Konzepte und Strukturen anzuknüpfen und Unsicherheiten bezüglich der Vereinbarkeit mit humanitärer Neutralität, und nicht zuletzt zwischen antikolonialem Anspruch und globalen Machtverhältnissen. Der Fokus des Seminars liegt auf aktuellen Fragen der entwicklungspolitischen und humanitären Praxis:

  1. Welche Rollen spielen lokale Religionsgemeinschaften in sozial-ökologischen Transformationsprozessen und Katastrophenhilfe?
  2. Wozu gehen internationale Organisationen (bspw. Brot für die Welt, Rotes Kreuz/Roter Halbmond, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)) und lokale Religionsgemeinschaften Partnerschaften ein?
  3. Wie kann der Umgang mit damit einhergehenden Chancen, Herausforderungen und Dilemmata in der Praxis gelingen?

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen geschieht durch unterschiedliche Diskussions- und Reflexionsformate, gemeinsame Lektüre und die Bearbeitung von konkreten Fallbeispielen aus Subsahara-Afrika und Westasien. Vorkenntnisse sind nicht nötig. Wir freuen uns auf einen interdisziplinären Austausch und offene Diskussionen. Eine voraussichtliche Exkursion nach Bonn ermöglicht Austausch mit Vertreter*innen internationaler Organisationen. Lokale Kooperationspartner*innen werden wir per Videokonferenz treffen. Die vorzubereitende Lektüre ist größtenteils englischsprachig; die Seminarsprache ist Deutsch.

Kurzbiographie:

Leonie Harsch arbeitet als Rotkreuz-Delegierte in Westasien. Zuvor arbeitete sie als Mercator Kollegiatin sowie in Forschungsprojekten des University College London und der Joint Learning Initiative on Faith and Local Communities zu Rollen lokaler Gemeinschaften in der Unterstützung geflüchteter Menschen und entwickelte ein Training in glaubenssensibler humanitärer Unterstützung.

Juliane Stork ist John S. Mbiti Research Fellow am Forschungsbereich Religiöse Gemeinschaften und nachhaltige Entwicklung an der HU Berlin und Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Zeitschrift Religion&Development. Sie promoviert zu ökologischer Nachhaltigkeit in African Initiated Churches in Südafrika und ist seit 2021 Promotionsstipendiatin bei Villigst.

Seminarleitung: Leonie Harsch & Juliane Stork

Seminarort: Haus Villigst

Dauer: 31. Juli 2023 - 5. August 2023 (6 Tage)

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