Gedanken zum Monatsspruch

»Jesus Christus spricht: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?« (Mt 16,15)

»Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!« (Vers 16)

Das ist die ultimative Ansage, die Confessio des Petrus. Klarheit und Bekenntnis in einem kurzen Satz, der den Spekulationen der Menschen über Jesus den Boden entzieht.

»Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.« (13+14)

Dann fragt Jesus nach: »Wer sagt denn ihr, dass ich sei?« Sofort antwortet Petrus mit dem, was er glaubt: »Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!« Das heißt: »Du bist der Messias« und »Du bist der, auf den wir schon so lange gewartet haben, der Gesalbte aus dem Hause Davids.« Ein klares Bekenntnis zu Jesus als dem Christus, dem Messias Israels, »des lebendigen Gottes Sohn.«

Nun sagt Jesus nicht einfach: »Du hast recht Petrus«, sondern: »Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.« (17-19)

Diese Zusage Jesu gilt, nach der Lehrauffassung von der apostolischen Sukzession, auch den jeweiligen Päpsten in Rom als Nachfolger des Petrus auf dem »Stuhl Petri«.

Jesus jedoch möchte dies alles nach dem Matthäustext (noch) nicht an die große Glocke hängen: »Da gebot er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei.« (20)

Und was glauben wir? Wie beantworten wir heute die Frage Jesu aus dem Monatsspruch: »Wer sagt denn ihr, dass ich sei?«

Vielleicht wie Petrus mit einem Bekenntnis zu Jesus als dem Christus Gottes, seinem Sohn.

Vielleicht auch mit Jesus als Freund oder Bruder oder Vorbild, dem wir versuchen in seiner Nachfolge nahezukommen.

Vielleicht führt uns Jesu Frage auch zu der Frage nach uns selbst, zu dem, was wir sind, zu sein scheinen, sein wollen.

Mir jedenfalls fiel beim Lesen des Monatsspruchs sofort Dietrich Bonhoeffers bekanntes Gedicht »Wer bin ich?« ein, das er 1944 in der Tegeler Haft schrieb.

Auch, wenn es lang ist, folgt es hier im Wortlaut. Wie der Monatsspruch gibt es viel Stoff zum persönlichen Nachsinnen auf der Suche nach der eigenen Antwort.

»Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
Wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott,
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott. «

Bleibt/bleiben Sie gesund und Gott befohlen.

Ihr/Euer Wolfram Gauhl



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