Pfingsttreffen geht auf Mission Bildungsgerechtigkeit
Beim diesjährigen Pfingsttreffen diskutierten rund 160 Teilnehmer*innen ein Wochenende lang über Bildungsgerechtigkeit und wie sie zu erreichen ist.
Mit dem Thema haben 5er Rat, Stipendiat*innenschaft und Geschäftsstelle ins Schwarze getroffen, weil es so viele Ansatzpunkte für mehr Bildungsgerechtigkeit gibt. Der in der Türkei geborene Dortmunder FH-Professor Dr. Ahmed Toprak skizzierte selbst erfahrene Ungerechtigkeit, die er als Arbeitersohn auf seinem akademischen Werdegang erleben musste und doch den Bildungsaufstieg geschafft hat. Er machte Menschen mit Migrationshintergrund Mut, bei ähnlichen Erfahrungen die eigenen Ziele weiterzuverfolgen. Kai Gehring, MdB (B90/Grüne), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie Kuratoriumsmitglied des Ev. Studienwerks, warf den politischen Blick auf das Thema Bildungsgerechtigkeit und was insbesondere für Schulen in sozialen Brennpunkten und durch die BAFöG-Erhöhung vonseiten der Regierung dazu geplant ist. Auch an Hochschulen ist noch viel zu tun, insbesondere mit Blick auf Habitus und soziale Herkunft als Barrieren zum Bildungsaufstieg. Das berichtete Dr. Mirjam Merkel-Kiss von der FH Darmstadt. Damit mehr junge Menschen aus dem Kreis der Erstakademiker*innen und mit Zuwanderungsgeschichte den durch ein Stipendium begleiteten Weg durchs Studium gehen können, legt das Ev. Studienwerk, so Leiterin Friederike Faß, einen besonderen Fokus auf die Bewerbung junger Menschen aus dieser Zielgruppe.
Kritische Töne stimmte Silke Weiß, Leiterin der Lernkulturzeit Akademie in Lorsch, bei ihrer Vision zur Bildungsgerechtigkeit für eine Gesellschaft im Wandel an. Dabei hatte sie das deutsche Bildungssystem in seiner jetzigen Struktur mit Notenbewertung, Klassenverbünden und unterschiedlichen Schulformen in Blick. Im diskussionsfreudigen Fishbowl-Format lud sie die Villigster*innen ein, Schule neu zu denken.
Welche Erfahrungen Villigster*innen und Gäste mit Bildungsgerechtigkeit gemacht haben, wurde in sieben Erzählcafés zum Thema deutlich. Die Grundschullehrerin Stephanie Weichbrodt und die Altvilligsterin Prof. Dr. Andrea Goll-Kopka stellten ihre Sicht auf die Schulpraxis und familienorientierte Ansätze des Unterrichtens dar. Was Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu mehr Bildungsgerechtigkeit verhelfen kann, davon erzählten die Stipendiatin und Alumna der START-Stiftung Amira Al Zoubi, Kamil Basergan vom Nachhilfeprojekt „Lernorte“ der Diakonie Düsseldorf und Christos Hilk, der mit Villigster Unterstützung zu Lehrkräften mit Migrationshintergrund in schulischen Leitungsfunktionen forscht.
Mehrere Schülerstipendienorganisationen helfen Schüler*innen, leichter den Weg zum Studium zu finden, teilweise mit Vorschlagsrecht für die Villigster Grundförderung. Wie sehr dadurch der Weg in die akademische Welt geebnet werden kann, berichteten Joelle-Marie Krautz vom NRW Talentzentrum und Yannick Folsche vom Aelius-Förderwerk, sowie von der Roland-Berger-Stiftung Alumnus und Villigst-Stipendiat Mark Kingsly und Sebastian Kesper, Regionalleiter des Ippen-Grundschülerstipendiums der Stiftung.
Dass Bildungsgerechtigkeit auch Ergebnis sehr subjektiver und subjektiv erlebter Barrieren sein kann, machten Dr. Araththy Logeswaran von der SWANS-Initiative, Stipendiat Gregor Hüniken als arbeiterkind.de-Alumnus und Celine Burke von ApplicAid, wo Bildungsaufsteiger*innen Stipendienberatung ermöglicht wird, deutlich. Soziale Herkunft und Habitus von Studierenden können das Mithalten im Hochschulbildungsbetrieb erschweren, vor allem bei Studierenden, die ohnehin an deutschen Hochschulen unterrepräsentiert sind.
Was konkret an praktischen Ideen zu mehr Bildungsgerechtigkeit umgesetzt werden kann und sollte, das trugen die Villigster*innen an mehreren Ideentischen zu Politik, Schule / Hochschule, Kirche, Villigst, Wohnort, Arbeit und Digitaler Raum zusammen. Der umfangreiche Ideenspeicher mit vielen praktischen Ideen, dass beispielsweise Altvilligster*innen einen Villigst-Bildungspreis für Abiturient*innen an ihrer alten Schule stiften könnten, ist im Villigster Intranet unter »Pfingsttreffen« einsehbar. Das Thema Bildungsgerechtigkeit & Villigst und die Ideen des Pfingsttreffens werden von einem P-Pool des stipendiatischen Senats in den nächsten Monaten weitergeführt.
Das Pfingsttreffen, welches vom Vernetzungsressort der Geschäftsstelle, 5er Rat und Stipendiatenschaft organisiert und durchgeführt wird, bot eine breite Plattform für anregende Diskussionen in Workshops, beim Essen, im Park und auf der Treppe. Die gute Stimmung des Pfingsttreffens zeigte sich auch beim traditionellen Gottesdienst an Pfingstsonntag in der Villigster Kirche, erstmals mit dem neuen Werkspfarrer und Studienleiter Dr. Markus Hentschel, unterstützt vom Villigster Chor um den Hamburger Hauptkantor Tjark Pinne. Das stipendiatische Bühnenprogramm aus Poetry & Science Slam und Amerikanischer Versteigerung zeigten die Vielfalt der Villigster Kreativität. Und wie auch im Vorjahr verbreitete ein Bläserensemble um den Stipendiaten Tom Weiland beim Frühstück und bei der Andacht an Pfingstmontag mit Friederike Faß stimmungsvolles Kirchentagsflair.