Fastenimpulse

»Ich fühle mich dem Evangelischen Studienwerk verbunden, weil hier eine große Offenheit und Liberalität gelebt wird, sei es gegenüber neuen Themen und Ideen oder gegenüber unterschiedlichen Menschen und religiösen Überzeugungen.«
Fastenimpulse
Während der Fastenzeit veröffentlichen Villigster*innen an dieser Stelle wöchentlich Impulse.
7. Fastenimpuls: Osterwunderluft
Mit einem Schmerzensschrei stößt er seinen letzten Atem aus. Sein Leben gibt er an den Schöpfer zurück. Der Himmel verdunkelt sich. Der Tempelvorhang zerreißt. Sie stechen ihm in die Seite und stellen fest: Er ist wirklich gestorben. Gott ist tot.
Und wie geht es mit uns weiter? Unser Herr hängt leblos am Kreuz. In seinen letzten Momenten hat er gelitten. Er ist gestorben wie jeder andere Mensch. Von seiner Größe und Herrlichkeit war nichts mehr zu erkennen. Jede Hoffnung ist mit ihm am Kreuz gestorben. Es ist vorbei. Die alten Zeiten kommen nicht wieder zurück.
Man entscheidet sich dazu, den Leichnam vom Kreuz zu nehmen. Was bringt es auch, ihn noch weiter hängen zu lassen? Er und seine Kirche sind Geschichte. Das einzige, was wir noch tun können, ist ihn zu Grabe zu tragen.
Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. Heute wir feiern den Sabbat, denn das ist ja unsere Tradition. Wir halten Gottesdienst. Wir versuchen Halt zu finden in der alten Liturgie. Doch wie können wir heute diese Worte in unsere Herzen lassen? Wie können wir von der Größe Gottes erzählen, wenn wir gerade nur seine Schwäche vor Augen haben? Wie können wir von der Hoffnung erzählen, wenn wir selbst keine Zukunft haben? Früher haben wir mit jedem Atemzug eine frohe Botschaft verkündet. Da wehte noch sein Geist in unserem Haus. Heute ist davon kein Hauch mehr zu spüren. Die alte Liturgie ist nur noch verstaubt. Das ist unsere Kirche. Und wir feiern den Sabbat, denn das ist ja unsere Tradition.
Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag. Und die Erde atmet auf. Gott atmet wieder aus. Mit demselben Atem, mit dem er Adam einst das Leben einblies, schafft Gott auch heute neues Leben. Jeden Tag schöpft er die Welt neu. Gott ist nicht tot. Er atmet immer noch. Ein. Und wieder aus. Jeden Tag können wir Zeugen seiner Schöpfung werden. Und wir sehen, dass es gut wird.
Von Altvilligster Felix Schlie
6. Fastenimpuls: Ruhe finden
Im Leben gibt es immer wieder Zeiten, da branden die Lebenswellen über einem zusammen. Viele Studierende der Medizin und von Jura kennen das aus den Monaten vor dem Staatsexamen, wenn das Lernen auf den Punkt hin ansteht. Der Alltag ist wie im Tunnelblick: fokussiert auf den Lernstoff, eingeengt auf den Zeitplan bis zu den Prüfungen. Damit verbunden sind nicht selten Schlafschwierigkeiten und Angst, das alles nicht zu schaffen.
Krankheiten, Unfälle und Todesfälle in der Familie oder im Freundeskreis sind andere existenzielle Momente, wo Wellen ins Boot des Lebens schlagen. Da ist die Krebserkrankung der Mutter mit zunächst unklarer Prognose, die eigene Erkrankung oder der plötzliche Tod des Vaters.
Das Leben ist dann von einem auf den anderen Tag auf den Kopf gestellt. Vielleicht war eine chronische Erkrankung auch schon länger absehbar, und doch wirft eine Diagnose alle Planungen und Gewissheiten über den Haufen. In Situationen großen inneren Aufruhrs braucht es ein Stopp-Signal. Eines, das Dir sagt, komm zur Ruhe, tritt zwei bis drei Schritte zurück und nimm wahr, was jetzt nötig ist. Intuitiv suchen wir Anlehnung und Verständnis bei Menschen, die große innere Ruhe ausstrahlen, die ein offenes Ohr haben, einfach da sind und mit ihrer Empathie und Klarheit das Vertrauen verkörpern, dass der innere Aufruhr in mir sich legen darf. Manchmal sind es auch wir Studienleiter*innen, die durch Zuhören zur Beruhigung der Lage beitragen können. Wenn das Stipendium aus krankheits- oder familiären Gründen um ein Semester verlängert wird, kann das bei Studierenden eine erste Entspannung in einer inneren Stresssituation bringen.
Eine hilfreiche Art der Stressregulation wurde mir vor einem Jahr mit den S-O-S Übungen einer Berliner Traumatherapeutin geschenkt. Einfach anzuwendende Körperübungen und Atemtechniken geben emotionale Erste Hilfe und regulieren den Stress im autonomen Nervensystem. So können sich bei regelmäßiger Anwendung dieser Übungen der somatischen Achtsamkeit neue neuronale Verschaltungen bilden und damit Stresslösestrategien verankern. Die Erfahrung von großer innerer Stille ist wunderbar. Sie kann das Vertrauen stärken, dass sich der innere Aufruhr im Leben legt.
Dieser Zustand der inneren Ruhe kann auch in einer leeren Kirche, vielleicht mit Orgelmusik eines übenden Kantors oder am Meer mit seiner wiederkehrenden, auflandenden und abfließenden Brandung erreicht werden. Oder beim Singen im Chor mit seiner atemstabilisierenden Wirkung. Für Christ*innen kann auch die Erfahrung, dass man in einer schwierigen Lebenssituation nicht allein ist, sondern Jesus von Nazareth hinter sich fühlt, entlastend sein. Entscheidend ist das innerliche Zur-Ruhe-Kommen. Und das Aushalten der Spannung, wenn nicht direkt die Lösung klar ist.
Von Studienleiter Dr. Marcus Nicolini
5. Fastenimpuls: Dicke Luft
Manchmal, da herrscht einfach »dicke Luft« im Leben; Situationen, Ereignisse oder menschliche Interaktionen, die einen reizen, einen anspannen und die Atmosphäre aufladen. Oder wir sind es, die anderen dieses Gefühl geben. So oder so mag man sich dann vielleicht nicht mehr zusammenreißen; möchte diese Gefühle, die Gedanken einfach rauslassen. Auch, wenn wir dabei uns oder andere verletzen und es dadurch nicht unbedingt besser wird. Ich denke, jeder/r von uns hat solche Situationen schonmal erlebt. Streit mit den Geschwistern, eine hitzige Debatte in der Freundesgruppe etc.
Auch die Situation im Hause Simons berichtet von einer »Dicke Luft«-Situation. Und spricht zu uns in der Fastenzeit. Denn nicht nur Lebensmittel oder bestimmte Getränke können wir fasten, wir können auch unser Handeln, Denken oder Fühlen während der Fastenzeit verändern. Zum Beispiel kann man sich vornehmen, für jeden negativen Gedanken einen positiven aufzuschreiben, man kann bestimmte Ausdrucksweisen vermeiden oder während einer »Dicke Luft«-Situation nicht sofort irgendwelche Kommentare von sich lassen, sondern versuchen, die Situation zu beruhigen. Nicht wie die Jünger*innen reagieren und jemanden »anmachen«, nur weil ich die Handlung meines Gegenübers vielleicht nicht verstehe. Nicht über jemanden herziehen, einen Konflikt auslösen oder jemanden verletzen. Sondern zuhören, das Gesagte annehmen, versuchen, nett zu bleiben und nachzufragen. Die Situation zu klären. Das kann schwer und herausfordernd sein, ja. Aber das gehört zum Fasten dazu. Eine Herausforderung. Selbst wenn es nicht funktioniert, fühle ich mich nach jedem Versuch besser. Denn ich übe Nächstenliebe aus. An meinem Gegenüber und an mir selbst.
Die Bibel und ihre Erzählungen, die sollen uns dabei unterstützen und uns helfen damit umzugehen: Wir sind Menschen. Seid füreinander da – respektvoll, auch, wenn es schwerfällt. Denn dicke Luft lässt nicht aufatmen, erfrischt nicht.
Wie die Frau in der Erzählung ist jede*r von uns dazu befähigt, mutig voranzugehen und Menschen in Konflikten die Hand zu reichen. Und so wie Jesus sich an die Seite der Frau stellte, so wird er es auch bei Dir tun. Er wird Dich unterstützen, Dich begleiten und neben Dir sein.
Amen.
Von der Grundstipendiatin Lisa-Marie
4. Fastenimpuls: Frischer Wind
Manchmal frisst einen die Routine auf. Die Woche startet und schon ist man wieder im alltäglichen Trott. Die Tage vergehen und verschwimmen vor unserem inneren Auge. Umso mehr Zeit auf diese Weise ins Land geht, desto schwerer wird das Gewicht auf der eigenen Brust. Es fühlt sich so an, als könne man physisch kaum atmen. Versucht man sich zu erinnern, was an einem bestimmten Tag passiert ist, legt sich ein sachter Nebel über die Zeit und es scheint einem beinahe unmöglich, eine klare Erinnerung zu sehen. So muss es auch den Personen in der Bibelstelle gegangen sein. Versunken im Alltagstrott – jeder Tag ist gleich, alles steht still. Da braucht man etwas oder jemanden, der einem frischen Wind einhaucht, einen aus der eigenen Routine reißt und wachrüttelt. Und plötzlich kommt ein Luftzug, die abgestandene Luft verschwindet, der Nebel verzieht sich und es kommt ein frischer Wind in unser Leben, der Zuversicht, Hoffnung und eine klare Sicht mit sich bringt.
Das Gefühl kenne ich nur zu gut und möchte dazu eine kurze Geschichte erzählen:
Die Berge ziehen mich schon immer magisch an. Unbewegte Riesen, die scheinbar dem Wandel der Zeit widerstehen und den Naturgewalten trotzen. Wenn der Alltag wieder zu viel wird, zieht es mich in die Berge. Ein Ort nimmt dabei eine ganz besondere Rolle für mich ein: Chamonix – Sehnsuchtsort aller Personen, die dem Bergsport verbunden sind, und eine der Geburtsstätten des europäischen Alpinismus. Wieder einmal war ich dem Alltag erlegen und in einem alltäglichen Trott versunken. Doch die Unterkunft war gebucht und es ging los. Mehrere staugebündelte Stunden später dann die Ankunft in den Bergen. Einige Gipfel noch schneebedeckt, die Temperaturen kühl, da sich der Winter länger gezogen hatte als sonst. Aber bereits bei der Ankunft begann sich der Schleier des Alltags zu lüften und eine erste leichte Brise streifte mein Gesicht – ein erster Vorbote des frischen Winds.
Dann die große Tour. Viele Kilometer an einem reißenden Fluss entlang, dann folgt der erste Anstieg. Und währenddessen schauen wir immer auf beeindruckende Gipfel und atemberaubende Gletscher. Die Anstrengung ist beim Aufstieg spürbar. Das Schwitzen beginnt und wir fragen uns, wie weit es wohl noch bergauf geht. Doch wir verlieren den Glauben nicht. Und einige Stunden später werden wir belohnt. Wir kommen auf einem Gipfel über einem Hochplateau an, auf dem er nun wirklich pfeift, der frische Wind. Und endlich lüftet sich der Schleier des Alltags und der frische Wind holt uns ins Hier und Jetzt zurück. Endlich können wir physisch und metaphorisch aufatmen, die Brust öffnet sich und all die Luft strömt in unsere Lungen. Der frische Wind hat uns erfasst und wir verweilen einfach nur in diesem Moment, beeindruckt davon, was wir geschafft haben. Endlich eröffnet sich uns der klare Blick auf die Berge, auf das vor uns liegende Hochtal und auf unser eigenes Leben.
Der frische Wind verschafft uns einen unglaublichen Genuss, gibt uns aber auch Hoffnung und Mut für die nahe Zukunft, den Schleier durch die sachten Brisen davontragen zu lassen. Wir kehren zurück in den Alltag, doch die Berge bleiben unberührt stehen – unberührt von unserem Besuch und von der Zeit selbst.
Ich wünsche allen eine gesegnete Fastenzeit.
Jonathan Förderer, Altvilligster
3. Fastenimpuls: Singen
Der Gesang des Jona im Wal beginnt mit einem Schrei.
Schreien ist im zivilisatorischen Kontext verpönt: zu laut, zu roh, zu schrill, zu maßlos.
Babys dürfen noch schreien, sie sind noch nicht so weit, sich gesittet ausdrücken zu können.
Singen ist o.k. Singen klingt schön, Singen ist gebändigte Energie, Singen ist Kultur.
Aber der Gesang des Jona im Wal beginnt mit einem Schrei.
So wie der gesamter Psalter voller Schreien ist. Der Grundton der Psalmen ist: »Ich schreie laut zu Gott« (Psalm 142,2). Das ist es, was Menschen in Not im Rachen des Todes tun: schreien. So wie Jesus fortwährend angeschrien wird, wenn Menschen gerettet werden wollen, oder wie er selbst schreit (Markus 1,25), wenn die Todesdämonen vertrieben werden.
Aber es soll ja ums Singen heute gehen, nicht um Schreien.
Auf der Homepage der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft findet sich ein Hörbeispiel aus einer Therapie mit einem Zehnjährigen Jungen mit Ängsten und Albträumen. Begleitet von der Therapeutin spielt der Junge auf verschiedenen Instrumenten und singt dazu, nein: Er schreit dazu. Sein Kommentar: »Das war Angstmusik! Wenn ich die Angst spiele, habe ich keine Angst mehr davor.«
»Das Schreien des Babys nach der Geburt ist nicht unbedingt ein Zeichen von Schmerzen. Es ist ein natürlicher Reflex, der durch die plötzliche Veränderung der Umgebung ausgelöst wird. Das Schreien hilft dem Baby, die Lungen freizumachen und die Atemwege zu öffnen.« (Hebamme Franziska Zedler)
Das Neugeborene, das den Mutterleib verlässt, hat wie die Gebärende selbst eine überaus schmerzhafte, vielleicht sogar traumatische Erfahrung hinter sich: In seinem ersten Schrei spiegelt sich die Ambivalenz wider, die Geborgenheit der Mutter zu verlassen und zugleich ein eigenes Leben mit eigenem Atem begonnen zu haben. Der Schrei ist nicht mehr nur ein Notschrei, sondern auch der Schrei, sich als Mensch zu Gehör und zur Geltung zu bringen, also auch der Schrei, aus dem heraus der Jubel über das eigene Leben möglich wird.
Das Singen beginnt mit dem Schreien: dem Schrei der Not und dem Schrei schierer Lebensenergie. Im Singen können beide Elemente des Schreiens weiterleben: der Ruf aus der Tiefe und der Jubel darüber, zu leben.
Ich meine, nirgends kommt das deutlicher zu Gehör als in Teilen der Rockmusik, elementar zum Beispiel im Gesang von Janis Joplin, der manchmal mit einem Schrei aus Not und Lust gleichermaßen beginnt und endet.
Die Fastenzeit kann uns an die Basis des Singens erinnern, an das Schreien, das den Gesang durchzieht, wenn er sich an Gott wendet, als die, die Leben gibt und nimmt und gibt und die Lust am Leben dazu.
Markus Hentschel
2. Fastenimpuls: Seufzen
Manchmal kommt so ziemlich alles auf einmal. In der letzten Woche habe ich eine Frau beerdigen müssen, die vollkommen überraschend an einer verschleppten Frühjahrserkältung starb. Zwei noch ziemlich junge Kinder und eine unendlich traurige Familie bleiben zurück. Wie konnte das passieren? Seufzen. Ohne Worte.
In Beratungsgesprächen höre ich oft Schweres. Mutlosigkeit, Einsamkeit, Krankheit. Kaum mehr die Kraft, weiterzuarbeiten, kaum mehr die Kraft, weiterzuleben. Eine Krise jagt die nächste – persönlich wie global. Ist denn da keine Hilfe? Seufzen. Ohne Worte.
Manchmal fehlen mir einfach die Worte. Manchmal erdrückt mich das Leid, die Hilflosigkeit und ich habe kaum etwas dagegen zu stellen. Wenn ich stabil stehe, dann ist dies immer ein Moment, in dem ich bete. Einmal kurz Gott klage, was ich an Schlimmem, Leidvollen gehört und erfahren habe. Fürbitte halte, für mich, für andere, für die Schöpfung.
Aber da sind eben auch die anderen Momente. Die, in denen das einfach nicht mehr geht. Weil die Not gerade so groß wird, dass ich keine Worte mehr dafür habe. Seufzen. Ohne Worte.
Von diesen Momenten, in denen die Angst, die Traurigkeit, die Einsamkeit, die Panik dabei ist, die Überhand zu gewinnen und in der ich keine Sprache mehr für das habe, was mich bewegt, davon erzählt die zweite Fastenwoche.
Seufzen. Seufzen, das heißt geräuschvoll ausatmen. Stöhnen. Luft ablassen und rauslassen, was mich bedrückt. Ohne Worte, nur in einem Geräusch. Seufzen. Das mache ich in schweren Momenten, wenn mir die Worte fehlen. Seufzen. Das tut gut. Es gibt mir die Chance, das, was sich in mir angesammelt hat, rauszulassen, wenn es gut läuft, damit sogar loszulassen.
Das sind oft Momente, wo ich nicht zu beten weiß. Einfach keine Worte dafür finde. Weil ich Angst habe, oder wütend bin auf Gott, oder zu zweifelnd, zu enttäuscht.
Keine Panik. Sagt der Vers der zweiten Fastenwoche. Keine Panik, du bist echt nicht die erste und schon mal gar nicht die einzige, der es so geht. Es gibt Momente, da sind die Worte vorbei. Da ist nur Seufzen. Da ist nur Seufzen – und zwar noch nicht mal mehr dein eigenes, es ist das des Heiligen Geistes. Für uns. Gottes Geistkraft übernimmt. Fühlt, was wir fühlen. Ist da, ist nah in all dem Elend, der Angst, der Mutlosigkeit und Panik. An unserer Seite. Erlebt mit, was wir erleben und ist da. Seufzen. Ohne Worte.
Das ist es, was die Geistkraft dann nämlich tut. Sie seufzt. Sie liegt Gott in den Ohren mit unseren Anliegen. Auch wenn keine Worte mehr da sind, wenn etwas unaussprechlich wird, dann tritt die Geistkraft für uns ein. Seufzt. Atmet mit uns hörbar aus und lässt all das Schwere darin anklingen und bringt es vor Gott. Sie ist in der Lage, die Hoffnung zu spüren, die ich vielleicht aus dem Blick zu verlieren drohe. Sie ist in der Lage zu seufzen und Gott damit in den Ohren zu liegen, wenn ich es nicht mehr kann. Keine Panik, sagt sie. Es ist nicht vorbei. Gott ist da. Die Hoffnung trägt.
Daran will ich mich festhalten. Einatmen und geräuschvoll ausatmen und loslassen. Abgeben. Gottes Geist ist da und trägt.
Friederike Faß
1. Fastenimpuls: Fenster auf!
Luft holen ist gar nicht so einfach. Bis vor einer Woche habe ich mich in der Uni sehr intensiv damit beschäftigt. Muskeln des Oberkörpers heben die Rippen an. Dadurch entsteht ein Unterdruck im Bereich zwischen Brustkorb und Lunge. Dieser Unterdruck sorgt zeitgleich dafür, dass sich die Lunge ausdehnt, wodurch der Luftdruck in der Lunge sinkt. Dieser Druckunterschied zwischen innen und außen wird ausgeglichen, indem Luft in die Lunge strömt. Erst wenig, dann immer mehr, bis es wieder weniger wird und zum Erliegen kommt. Der Sauerstoff kommt aber nicht direkt bis in die Lungenbläschen, denn die sind ja noch mit ein bisschen Luft gefüllt. Die frisch eingeatmete Luft vermischt sich mit der in der Lunge zurückgebliebenem, damit der Sauerstoff in die Lungenbläschen und in das Blut gelangen kann.
Das ist Atmen. Das, und ein paar andere Prozesse halten uns lebendig.
In der Bibel wird auch vom Atem, dem Lebensatem, gesprochen:
»Da formte Gott, der Herr, aus Staub vom Erdboden den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch zu einem lebenden Wesen.« (Genesis 2,7 NGÜ)
Gott hat uns den Atem geschenkt, das, was uns lebendig macht. Dieser Atem ist nicht bloßes atmen, Erzeugen von Druckunterschieden im Brustkorb. Lebendig sein ist mehr, als gut mit Sauerstoff versorgt zu sein, zu atmen.
Lebendig sein ist ein Zustand. Mehr als ein Gefühl. Lebendig sein, bedeutet, wach und aktiv zu sein, verbunden mit der Umgebung, erfüllt mit Sinn, bewusst, fröhlich, konzentriert, bewusst, dass Gott bei mir ist.
Wenn ich in einem System einfach nur funktionieren muss, überwältigt von Aufgaben bin, die ich nicht lösen kann, nichts tun kann, um die Situation zu ändern, Hoffnungs- und Mutlosigkeit alles verdunkelt und ich keine Energie mehr habe, dann bin ich nicht lebendig.
Lebendig bin ich, wenn ich mich über etwas begeistern kann. Sachen mache, die ich gerne mag, Natur genieße, Zeit mit lieben Menschen verbringe, Ideen verwirkliche, Hoffnungen sich erfüllen.
Wie viel Zeit in meinem Leben bin ich lebendig? Fühle mich und bin lebendig? Gar nicht so viel.
Vielleicht wäre es schöner, wenn es öfter so wäre.
Ich glaube, das ist es, was ich mir für die nächste Woche vornehme. Ich will das Fenster aufmachen, herausschauen, und suchen, was mich lebendig macht.
Amen.
Von der Grundstipendiatin Leona