Fastenimpulse

Fastenimpuls von Friederike Faß, Leiterin des Evangelischen Studienwerkes

Als unsere Kinder klein waren, hatten wir Au-Pairs aus verschiedenen Ländern: Spanien, Georgien, Kolumbien und die Ukraine waren dabei – junge Männer und junge Frauen, die mit ihrer Kultur – mit oftmals auch fremden Dingen – unsere Familie bereicherten. Später kam über das Parlamentarische Partnerschaftsprogramm dann für ein Jahr ein amerikanischer Austauschschüler und noch später wohnte eine ukrainische Frau für ein halbes Jahr mit uns zusammen. Wir haben uns bemüht, unseren Kindern Respekt und Offenheit für andere Menschen und Kulturen mitzugeben. Zuhause war das eigentlich ziemlich leicht, aber oft genug haben wir auch schwierige Situationen erlebt.

Wenn ich beispielsweise bei der Ausländerbehörde war, um Gäste anzumelden, dann habe ich da ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht: bei einigen Herkunftsländern wurden unsere Anliegen freundlich und zuvorkommend und vor allen Dingen sehr zügig aufgerufen und bearbeitet, bei anderen Herkunftsländern war der Ton eher abfällig, die Wartezeit endlos und die Hilfsangebote oftmals nur auf Nachfrage bekannt.

Eigenartig, wie unterschiedlich wir die Menschen also offenbar wahrnehmen und bewerten. Wir scheinen ein Werte-Ranking im Kopf zu haben, das vorgibt, welcher Mensch wertvoller und welcher weniger wert ist und das scheint auch etwas mit den Herkunftsländern zu tun zu haben.

Der Vers dieser Fastenwoche steht in der Apostelgeschichte 16,9. Im Traum erscheint Paulus ein Mann und bittet ihn »Komm rüber nach Makedonien.«

Bis dahin war Paulus in Asien unterwegs gewesen. Die gute Nachricht war begrenzt auf diesen Raum. Hier waren die richtigen Leute, die, denen man von Jesus und Gottes Liebe zu den Menschen erzählen wollte. Und dann dieser Traum.

Letztendlich verdanken wir diesem Satz und Paulus Aufbruch unseren Zugang zum Christentum. So spät erst gehört der Kontinent, auf dem wir leben, mit dazu. Dass Paulus hier noch nicht gewesen war, hatte bestimmt einerseits mit der Entfernung und dem schwierigen Weg zu tun, andererseits aber bestimmt auch mit der Fremde. Das Fremde: andere Kulturen, anderes Aussehen, andere Gottheiten. Fast zu viel Fremdes für Paulus.

Und doch: Paulus sieht im Traum diesen Mann, der um Hilfe bittet. »Komm rüber, hilf uns.«

Diese Bitte um Hilfe erreicht ihn, lässt ihn aufbrechen und Grenzen seiner bekannten Lebenswelt sprengen. Er soll von Gottes Gnade, von seiner Liebe und Barmherzigkeit erzählen, soll ihnen erzählen, dass alle Menschen Kinder Gottes sind.

Das erinnert mich an einen anderen Propheten, der einen Auftrag bekam einer fremden und weit entfernten Stadt eine Nachricht von Gott zu übermitteln. Zugegeben, diese Nachricht war übel, denn er sollte ihnen mitteilen, dass ihr Verhalten Gott missfiel und dass es nicht weiter geduldet werden würde. Er sollte zur Umkehr und Buße aufrufen.

Ich rede von Jona. Ebenfalls Hebräer und ebenfalls im Auftrag des Herrn unterwegs. Und dann dieser Auftrag eine Stadt am anderen Ende der Welt wachzurütteln und eine zweite Chance zu übermitteln. Jona hat überhaupt keine Lust dazu; keine Lust auf Fremde, keine Lust auf den Weg dahin.

Es braucht Gottes erfindungsreiche Überzeugungskraft in Form eines Walfisches, um zur Besinnung zu kommen.

Dann predigt er Ninive Gottes anstehendes Gericht, wenn sie sich nicht ändern und zieht sich guten Mutes zurück um zuzusehen, wie diese Fremden untergehen.

Als es ganz anders kommt, als die Menschen Ninives sich ändern und Gott um Vergebung bitten und er sie verschont, ist Jona sauer. »Gott«, sagt er, »siehst du, darum wollte ich nicht gehen. Jedes Kind in Israel lernt doch, dass du barmherzig und gnädig bist, groß an Güte und langsam zum Zorn. So bist du zu uns, deinem erwählten Volk, Herr, aber doch nicht zu denen da, den Fremden. Die gehören doch nicht dazu!«

Bei Jona ist es Gott selbst, der versucht, sich Jona zu erklären und die Geschichte endet, ohne dass wir erfahren, ob Jona es versteht.

Ein wenig kommt mir der Vers unser Woche so vor wie Jona 2.0. Jetzt ist es also Paulus, der einen Auftrag bekommt in der Fremde von Gottes Liebe zu erzählen. Soweit - so gleich. Aber dann kommt es glücklicherweise anders: Wie wunderbar, dass Paulus sich nicht lang bitten lässt und einfach aufbricht.

Paulus lässt es sich sagen: Gottes Liebe ist grenzenlos, gilt allen Menschen in allen Teilen der Erde. Ich wünsche mir, dass ich selbst meine Schranken im Kopf immer weiter abbauen kann und von dieser großen und bedingungslosen Liebe lernen kann. In dieser Woche ist Raum zum Üben – eine Woche mit der weiten Welt. Was für eine Chance!



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