Fastenimpulse

Fastenimpuls von Stipendiat Hendrik Leitz

Zachäus ist ein kleiner Mann, er lebt in Jericho und ist von Beruf Zöllner. Man könnte vereinfacht sagen, dass Menschen, die Waren nach Jericho bringen, Steuern an Zachäus zahlen müssen. Dieser verlangt jedoch viel zu viel Geld von den Menschen, weshalb er sehr reich ist. Die Leute in Jericho mögen Zachäus nicht, was ihn durchaus traurig macht, denn er ist einsam und allein.

Als eines Tages Jesus nach Jericho kommt, wollen ihn viele Menschen sehen. Zachäus hat bereits von ihm und seinen Wundern gehört und möchte wissen, ob er wirklich Gottes Sohn und so besonders ist, wie alle Menschen sagen. Auch Zachäus will ihn unbedingt sehen, doch es sind viele Menschen vor ihm da. Zu seinem Glück gibt es an der Straße einen Maulbeer-Feigen-Baum, auf den er hochsteigt, um von da oben besser sehen zu können.

Als Jesus die Straße entlang geht, bleibt er unter dem Baum stehen und fordert Zachäus auf, hinunterzukommen. Jesus möchte bei Zachäus einkehren, bei ihm essen und übernachten: Jesus will sein Gast sein. Zachäus freut sich sehr darüber und steigt schnell vom Baum herunter. Warum wurde ausgerechnet er dazu bestimmt?

In seinem Haus erzählt Jesus, dass man nicht stehlen soll, es sei eines der zehn Gebote, an das man sich besser halten sollte. Zachäus hört Jesus gespannt zu und merkt: er ist wirklich ein besonderer Mensch. Er malt sich aus, wie es sein könnte, wenn er den Menschen nicht mehr zu viel Geld wegnimmt. Damit würde er seinen Mitmenschen nicht mehr wehtun und er könnte froh mit ihnen zusammenleben. Zachäus wäre nicht mehr einsam und allein.

Währenddessen ärgern sich die Menschen in Jericho über Zachäus und irgendwie auch über Jesus, weil dieser nur zu Zachäus geht. Dabei sind sie doch besser als er, denn sie haben niemandem Geld weggenommen, sie sind ehrlich und halten sich an die Regeln.

Was die Menschen nicht wissen: die Begegnung mit Jesus hat Zachäus verändert. Zachäus versteht, was Jesus ihm sagen möchte und er will von nun an nach den Regeln Gottes leben. Er möchte nie wieder zu viel Geld verlangen und ehrlich leben, er möchte zu viel eingenommenes Geld zurückgeben und armen Menschen spenden.

Doch die Menschen sind noch immer nicht zufrieden, weshalb sich Jesus direkt an sie wendet und erklärt, warum er ausgerechnet zu Zachäus gegangen ist. Zachäus brauchte Hilfe, weil er Schlechtes getan hat. Die anderen Menschen lebten bereits ehrlich, sie brauchten keine Umkehr. Doch Zachäus soll anders leben, er soll sich ändern. Gott hat ihm geholfen und ihm vergeben. Von nun an sollen sie alle gemeinsam und froh miteinander leben. Statt sich zu ärgern, sollen sie sich mit Zachäus freuen, und mit Jesus: denn es ist ein Wunder geschehen. Die Begegnung von Jesus und Zachäus bringt einen reichen Zöllner dazu, sich seiner ethischen Verantwortung bewusst zu werden und entsprechend zu handeln.

Ich persönlich mag diese Geschichte total gerne. Jesus wandte sich einem reichen Mann zu. Zeitgleich war dieser Mann aber auch ganz klein und arm. Zachäus war so klein, dass er auf einen Baum steigen musste, um Jesus sehen zu können. Jesus wählte ausgerechnet ihn aus, das ist keinesfalls ein Zufall! Jesus wandte sich bewusst den von den anderen Menschen verachteten Gruppen zu, er wandte sich denen zu, die am Rand standen. Zachäus war nicht reich, sondern arm, schwach und einsam. Die Einkehr bei Zachäus zeigt, wie Jesus die Sünder berief: indem er ihre Isolation durchbrach und ihnen als ihr Gast Gottes Gegenwart schenkte. Jesu Heilzusage nahm ihn wieder in das Volk Gottes auf.

Wenn du magst, schließe für einen kurzen Moment deine Augen und gehe in dich.

Hattest du schonmal eine Begegnung, die dich geprägt oder zum Nachdenken angeregt, vielleicht sogar verändert hat?

Hast du schon mal jemanden von einer Sache überzeugt oder ihn »bekehren« können?

War schon mal jemand sauer auf dich oder hat dich nicht so ganz verstanden, weil du dich jemand anderem zugewandt hast?

Ich glaube ja, die Geschichte erzählt auch ganz viel vom Missverstehen. Für mich steckt da auch besonders eine Message hinter: wir sollten viel öfter miteinander reden, statt übereinander. Nicht nur seinen eigenen Willen durchsetzen und den anderen nicht verstehen wollen, sondern die Augen öffnen, die Herzen weiten, andere Perspektiven einnehmen und miteinander an einer gemeinsamen Lösung arbeiten.

Ich lade euch in dieser Woche ein, mal genau hinzuhören, hinzuschauen und verschiedene Perspektiven einzunehmen. Vielleicht gibt es ja gerade eine Gelegenheit oder eine Situation, in der es einen Perspektivwechsel braucht. Lass dich vielleicht einfach mal drauf ein. Wenn ich mich Menschen zuwende, ganz egal ob vertrauten oder fremden, kann ich vielleicht erkennen, dass »da drüben« noch etwas anderes existiert, als meine eigenen Geschichten und Gefühle. Nur muss ich eben die Augen aufmachen. Vielleicht sollten wir so durch die Fastenzeit gehen: mit offenen Augen für die anderen, die gerade unterwegs sind. In dem Sinne: Komm rüber!



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