S6 Arbeit, Mitbestimmung, Gewerkschaften und ihr Wert für die Demokratie

Seminar der Hans-Böckler-Stiftung

Das Seminar thematisiert die Arbeit von Gewerkschaften und die Idee der Mitbestimmung durch Arbeitnehmer*innen. Es fragt, in welchem Verhältnis politische, soziale und wirtschaftliche Demokratie stehen. Mitbestimmung wird dabei immer als Ausdruck demokratischer Prinzipien in Betrieben und Unternehmen sowie als Basis einer demokratischen Gesellschaft gleichermaßen verstanden.

Menschen verbringen einen bedeutenden Teil ihres Lebens mit Erwerbsarbeit. Umso wichtiger ist die Frage nach den Bedingungen dieser Arbeit. Wie ist der Arbeitsplatz gestaltet, welche technische Ausstattung kann genutzt werden, wie hoch ist das Arbeitsentgeld oder welche Arbeitszeiten gelten? Dass diese Bedingungen nicht einseitig von Arbeitgeber*innen bestimmt, sondern unter Einbeziehung von Arbeitnehmer*inneninteressen von den Sozialpartnern festgelegt werden, prägt die Arbeitsbeziehungen in Deutschland maßgeblich. Diese Mitbestimmungsrechte sind Ausdruck demokratischer Prinzipien, die bis in Betriebe und Unternehmen wirken.

Mitbestimmung ergänzt aus gewerkschaftlicher Perspektive die politische um eine wirtschaftliche und soziale Demokratie. Gute Arbeitsbedingungen in und ökonomischer Erfolg von Unternehmen beruhen auf der demokratischen Beteiligung von Arbeitnehmer*innen durch Betriebsräte und Gewerkschaften. Das Modell der Sozialpartnerschaft schafft einen generellen Ausgleich von Interessen in Staat und Gesellschaft.

Wie auch in der Demokratie als Staatsform müssen die Möglichkeiten der Beteiligung und Mitbestimmung institutionell geregelt sein und hängen vom Engagement aller Beteiligten ab. Dies gilt umso mehr, wenn die institutionalisierten Grundlagen sich an neue Realitäten anpassen müssen und neue Geschäftsmodelle gezielt so entwickelt werden, dass sie bestehende Regulierungen ausreizen oder umgehen. Plattformarbeit oder die zunehmende räumliche Entgrenzung von Arbeitsorten werfen grundlegende Fragen nach demokratischen Prinzipien auf: Die Bildung von Interessenkoalitionen setzt z.B. Möglichkeiten der überwachungs- und sanktionsfreien Kommunikation von Beschäftigten voraus, die in digitalen Arbeitswelten nicht immer selbstverständlich ist. Das Aufweichen und Umgehen der Regulierung von Arbeit oder die Verweigerung von Verantwortung dafür in neuen digitalen Geschäftsmodellen, führt nicht nur zu neuen Formen der Ausbeutung von Arbeitnehmer*innen, sondern gefährdet auch die wirtschaftliche, soziale und politische Ordnung.

Entlang des Leitthemas „Wert der Demokratie“ wird das Seminar der Hans-Böckler-Stiftung im Rahmen der diesjährigen Sommerakademie diese Fragen aufgreifen und vertiefen. Es geht einerseits darum, den Wert von demokratischen Mitbestimmungs-strukturen für Unternehmen und die ökonomische und soziale Ordnung zu beleuchten. Und andererseits darum, zu betrachten, wie aus der Idee der Mitbestimmung und der Arbeit von Gewerkschaften Demokratie als Wert an sich und demokratische Prinzipien in Staat und Gesellschaft gestärkt werden.

Im Seminar werden zunächst Grundlagen der Mitbestimmungsstrukturen und gewerkschaftlicher Arbeit erarbeitet. Folgende Leitfragen stehen hierbei im Zentrum: Was sind die charakteristischen Merkmale der Mitbestimmung in Deutschland? Wie hat sich die Mitbestimmung historisch entwickelt? Im Austausch mit Expert*innen werden wir auch auf die Geschichte der Gewerkschaften blicken und ihre Bedeutung für die Bundesrepublik erörtern. Im weiteren Verlauf werden wir dann mit Exkursionen und Unternehmensbesichtigungen die konkrete Arbeit von Mitbestimmungsakteuren in Unternehmen in den Blick nehmen und die Rolle von Gewerkschaften in der Arbeitswelt betrachten. Ergänzt wird dies durch den gemeinsamen Blick auf aktuelle Forschungsergebnisse zum Themenbereich Mitbestimmung. Mit Wissenschaftler*innen wollen wir diskutieren, welche Bedeutung Mitbestimmung für die sozial-ökologische Transformation hat und wie neue Arbeitsmodelle mitbestimmt ausgestaltet und reguliert werden können. Schließlich werden wir mit Blick auf die demokratische Gestaltung der Gesellschaft auch die gewerkschaftliche Arbeit im Bereich Anti-Diskriminierung oder die Bedeutung von guter Arbeit als Schutzmechanismus gegen Verschwörungserzählungen und Erosion von demokratischer Teilhabe betrachten.

Seminarleitung:

Dr. Pascal Geißler ist Referatsleiter in der Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Er betreut die Stipendiat*innen im Cluster Wirtschaftswissenschaften und verantwortet entsprechende Seminarangebote in der ideellen Förderung, insbesondere zu Wirtschaftspolitik und Sozio-Ökonomie.

Dr. Sophie Rosenbohm ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen. Sie forscht zu nationalen und transnationalen Arbeitsbeziehungen, dem Wandel von Arbeit, insbesondere neuen Formen von Arbeit, und beschäftigt sich mit methodischen Fragen der Organisationsforschung.

Anmeldebedingungen und organisatorische Hinweise