Zwischen Angst, Tod und Zuversicht: Das Alphabet der Gefühle in der Onkologie
Wenige Krankheiten lösen so viele an emotionalen Reaktionen aus wie Krebs. Betroffene und Angehörige leiden gleichermaßen unter der Diagnose mit ihren Folgen: von der Operation über die Chemotherapie oder Bestrahlung bis hin zur Nachsorge beziehungsweise palliativen Begleitung. Die Krebserkrankung, deren Behandlung und mögliche Behandlungsfolgen können bei den betroffenen Erkrankten in vielfältiger Weise zu psychosozialen Belastungen führen. So zeigen Studien, dass circa 25 bis 30 Prozent aller Krebskranken im Verlauf ihrer Erkrankung behandlungsbedürftige psychische Störungen oder ausgeprägte psychosoziale Beeinträchtigungen erfahren. Eine qualifizierte Krebsbehandlung sollte daher auch die psychoonkologische Versorgung von Krebskranken sowie ihrer Angehörigen umfassen.
Die Psychoonkologie beziehungsweise psychosoziale Onkologie hat sich in den zurückliegenden Jahren als eine wichtige, wissenschaftlich immer mehr fundierte Säule in der Krebsmedizin bewährt und ist als eigenes Arbeitsgebiet aus der modernen Onkologie nicht mehr wegzudenken. In die Psychoonkologie fließen Inhalte aus den Fachbereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Pflegewissenschaft, praktische Philosophie und Ethik, Theologie, Soziale Arbeit sowie Pädagogik mit ein.
Seit jeher sind mit der Erkrankung Krebs starke Emotionen gekoppelt. Krebs stellt die Welt auf den Kopf. Dieser Einbruch, ja Zusammenbruch der bisherigen Wirklichkeit und Normalität konfrontiert den Menschen mit etwas Neuem, mit dem viele zunächst nur schlecht zurechtkommen. Die allermeisten Krebspatient*innen stellen sich nach dem Schock der Krankheitsmitteilung die Frage: »Warum ich?« In unserer hochrationalen Welt, die vermeintlich alles erklären und wissenschaftlich verstehen kann, finden sich die Antworten auf diese grundlegenden Fragen immer seltener.
Die Historikerin Bettina Hitzer beschäftigt sich in ihrem 2020 erschienenen Buch »Krebs fühlen« mit der Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts und der Gefühlsgeschichte der Krebserkrankung und den damit verbundenen historisch geprägten Fühlweisen. Wie sieht die psychologische Betreuung krebskranker Menschen im Krankenhaus, in der Familie, im Hospiz und in der Seelsorge aus? Welche Hilfen erhalten Betroffene für den seelischen Umgang mit ihrer Erkrankung? Wir nähern uns dem Seminarthema durch Theorie und Gespräche mit Praktiker*innen aus Onkologie, Psychologie und Theologie. Dazu gehören Besuche im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), auch Besuche auf einer Palliativstation oder im Hospiz und Gespräche mit Betroffenen. Im Mittelpunkt des Seminars stehen die wesentlichen Elemente der modernen Psychoonkologie. Zugleich sollen jene Faktoren angesprochen werden, die bisher noch am Rand des fachlichen Diskurses stehen. Dazu zählen etwa Themen wie Einsamkeit und Krebs, Scham in der Onkologie, gender- und kulturspezifische Aspekte in der Psychoonkologie oder auch die Frage, welche emotionalen Folgen Armut bei Krebspatient*innen und deren Angehörigen und Familien hat.
Seminarleitung: Prof. Dr. Volker Beck; Dr. Marcus Nicolini
Anmeldestart und Anmeldeschluss: Wird im Intranet bekannt gegeben