Sommeruniversität 2024 – F KUNSTWELTEN UND ÄSTHETISCHE ERFAHRUNG

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Seminare

Es werden die folgenden Seminare angeboten:

F  1 /  Kunst für die Ewigkeit – die steht immer noch?

Wir erleben heute verwirrende Zeiten im Bereich des Kulturerbes und seiner Erhaltung: Während einige Bauwerke als erhaltenswert angesehen werden, ergeht es anderen, die den gleichen Anspruch auf Aufmerksamkeit haben, ganz anders. In der Tat werden an jedem Ort und zu jeder Zeit bestimmte Gebäude als wünschenswert angesehen, während andere als unerwünschtes Ärgernis abgelehnt werden. Erstere werden sorgfältig renoviert, stolz auf Postkarten oder in Führungen präsentiert, auf Landkarten und Verkehrsschildern eingezeichnet und in Kunst- und Architekturbüchern beschrieben. Letztere werden entweder sich selbst überlassen, ignoriert oder absichtlich zerstört.
Dies sind sichtbare und greifbare Bewertungen von physischen Resten der Vergangenheit, die diese Fragen aufwerfen:

  • Was ist von Bedeutung, was wird bewahrt und was kann weg?
  • Was sollte an zukünftige Generationen weitergegeben werden?

Dieses Seminar wird sich mit der architektonischen Konservierung als einer Disziplin befassen, die eine wichtige Rolle bei der Konstruktion von Identitäten spielt. Wir werden uns nicht auf das Technische wie die Architekturerhaltung konzentrieren, sondern auf das Warum und Für-wen? In erster Linie werden wir die Kriterien untersuchen, die ein Gebäude zu einem Denkmal machen.

  • Was wird als kulturell bedeutsam angesehen?
  • Welche Akteure und Artefakte werden als historisch bedeutsam und erinnerungswürdig angesehen, während andere an den Rand gedrängt und zum Schweigen gebracht werden?

Obwohl sich diese Tendenz langsam ändert, werfen wir einen Blick darauf, welche Werke in Institutionen wie Museen oder auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes immer noch unterrepräsentiert sind? Anschließend werden wir untersuchen, inwiefern Zerstörung und Entsorgung auch eine wichtige Bedeutung haben. Die absichtliche Zerstörung oder Verschwendung von Gütern wurde oft mit dem Ausdruck und der Erlangung von Macht in Verbindung gebracht. Menschen, die die Macht haben, Gebäude in Schutt und Asche zu legen, können ihre Kontrolle über die gebaute Umwelt wirksam zum Ausdruck bringen. Anhand von konkreten Beispielen werden wir über verschiedene ideologisierte Zerstörungs- und Wiederaufbauprozesse nachdenken. Schließlich wird in diesem Seminar die Frage gestellt, wie die Bewertung von Gebäuden, insbesondere ihre Disqualifizierung, nicht auf eine einfache Dichotomie reduziert werden kann. In der Tat werden wir erörtern, wie durch alternative Praktiken wie z. B. künstlerische Praktiken monumentales Erbe in Richtung eines inklusiveren Verständnisses von Erinnerung transformiert werden kann.

Seminarleitung: Elise Kleitz
Veranstaltungsort: Odenthal

Zeitraum: 29. Juli - 2. August 2024
Dauer: 5 Tage

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F 2 / Lebst Du noch oder wohnst Du schon? – Über den »Sitz« des Wohnens im menschlichen Leben

Wir gebrauchen unentwegt in unseren spontanen Redewendungen das Wort »wohnen«, in der Regel jedoch ohne seine Bedeutung explizit zu reflektieren. »Lebst Du noch oder wohnst Du schon?«, heißt es. Aber lassen sich Leben und Wohnen gegenseitig aufrechnen, als ob das Wohnen eine Steigerung des Lebens darstellte? Der Religionsphilosoph Paul Tillich behauptet: »Wir wohnen nicht um zu wohnen, sondern wir wohnen um zu leben.« Das Wohnen, so wie es alltäglich vollzogen wird, steht allen Studierenden als Erfahrungswissen zur Verfügung. Die Praxis des Wohnens, ihr Gelingen ebenso wie ihr Scheitern, liegt vor jeder fachdisziplinären oder theoretischen Beschäftigung, die nur sekundär und abgeleitet sein kann. Philosophiehistorisch steht diese Einsicht in der Tradition von Hermeneutik und Phänomenologie. Deren grundlegende wissenschaftskritische Einlassungen, die einen verstehenden lebensweltlichen Zugang fundieren, werden wir im Seminar kennenlernen.

Wegweisend für diesen transdisziplinären Weg ist dann vor allem Martin Heideggers Vortrag »Bauen Wohnen Denken«, der großen Einfluss auf die fächerübergreifende Diskussion des Wohnens (und Bauens) genommen hat. Der Text des Vortrags wird im Zentrum der Auseinandersetzung mit dem Wohnen im Seminar sein. Der bereitgestellte Reader und sein Studium sollen den Teilnehmern und Teilnehmerinnen Orientierung geben, sich entlang von einschlägigen Texten auf die gemeinsamen Diskussionen vorzubereiten.

Seminarleitung: Prof. Dr. rer. pol. habil. Dipl.-Ing. Achim Hahn
Veranstaltungsort: Freiburg

Zeitraum: 4. - 8. März
Dauer: 5 Tage

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F 3 / Wie baute man eine Kathedrale? Einblicke in das mittelalterliche Baugeschehen

Für gotische Kirchenbauten finden sich in der Regel keine schriftlichen Quellen zum mittelalterlichen Baugeschehen. Viele der uns überlieferten Quellen aus dem Mittelalter wie Schriftstücke, bildliche oder figürliche Darstellungen, auf deren Informationsgehalt ein Teil unserer Kenntnisse zum Mittelalter beruhen, geben meistens wenig Auskunft über die Architektur: weder zu Baumaterialien noch zu Konstruktionen, Bauabläufen, Planänderungen oder zur Bauorganisation. Damit fehlen uns Informationen zur Entstehung der Gebäude. Um diese Informationen zu erhalten, muss man das Bauwerk selbst befragen, bauhistorische Befunde, d. h. sämtliche baulichen Überreste in ihrem Zusammenhang, lesen.
Es ist das Fach Bauforschung, das sich mit der gebauten Quelle beschäftigt, um die gesamte Geschichte eines Bauwerks zu erfassen. Die Bauforschung ist eine Spezialdisziplin der Architekturforschung. Da mittelalterliche Gebäude in der Regel nicht dokumentiert sind, exakte Pläne fehlen, gehört zu jeder Bauuntersuchung eine genaue Dokumentation, an deren Beginn ein genaues Bauaufmaß steht. In diesem wird jede Verformung, jedes einzelne noch so kleine und für die Baugeschichte relevante Detail genau erfasst. Diese sind es, die manchmal vielleicht überraschende Erkenntnisse zur Baugeschichte aufzeigen. Dokumentation und Befundauswertung sind Grundlage für weitere wissenschaftliche Ausarbeitungen. Zudem geben die gewonnenen Erkenntnisse entscheidende Informationen für eine gewissenhafte, dem jeweiligen Objekt angemessene und wirtschaftliche Planung.
Im Seminar werden wir nach einem Einblick in die Vorgehensweise des mittelalterlichen Bauens des 13. / 14. Jahrhunderts anhand des Kölner Domes, im Vergleich zu französischen Kathedralbauten, und der daraus abzulesenden Aufgabe des Baumeisters, der Bauhütten und der Auftraggeber eigene Bauanalysen an einem ausgewählten Objekt anfertigen. Im Zentrum des Seminares steht eine eigene Bauaufnahme einschließlich der Untersuchung des Bauteils und einer zeichnerischen Rekonstruktion von Bauphasen sowie die Auseinandersetzung mit in der Gotik entwickelten Konstruktionen wie Maßwerken und Strebewerken.

Seminarleitung: Dr. Maren Lüpnitz
Veranstaltungsort: Odenthal

Zeitraum: 29. Juli - 2. August
Dauer: 5 Tage

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F 4 / Spürsinn – Erfassen intuitiver Erkenntnis- und Dialogprozesse mit Praktiken künstlerischen Forschens

Im Resonanzgeschehen mit unserer Umgebung – im Miteinander, im Umgang mit Materialien, Texten, Medien, Dingen, Architektur und Landschaft – finden wir Inspiration und treffen unzählige intuitive Entscheidungen, die über künstlerische Forschungsinstrumente erfasst und nachvollzogen werden können. Der Einbezug gespürten Erlebens setzt eine Versprachlichung des Erfahrenen voraus. Über die mikrophänomenologische Gesprächs- und Selbstreflexionsmethode (Petitmengin) sowie deren Erweiterung um eine Tastkomponente (Mark) lassen sich Zugänge zu Bereichen der Wahrnehmung sowie deren Versprachlichung eröffnen, die uns bislang verschlossen schienen. Wo wir bisher (noch) nicht genau wussten, »wie wir genau sagen sollen«, lässt sich ein Vokabular für die Beschreibung performativen Geschehens und eigener Regungen entwickeln, das Facetten von »Berührt«- oder »Bewegt«-Sein differenziert beschreiben lässt und den Wortschatz für die Verbalisierung gespürter Regungen und zur Erfassung des Gewahrwerdens von Gefühlseindrücken nachdrücklich erweitert. Über den Einbezug einer Tastkomponente ist zudem ein erweiterter Zugriff auf dynamisches Erinnerungsgeschehen möglich.
Angesiedelt an der Schnittstelle von rationalem und konkret spürbarem Erleben greifen wir zur praxistheoretischen Reflexion auf Ansätze des Embodied Critical Thinking zurück, die über das körperleibliche Spüren eine vertiefte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, künstlerischen und / oder sozialen Prozessen anregen.
Nach der Einführung in die mikrophänomenologische Gesprächstechnik wird Einblick in die Vielfalt künstlerischer Forschungsverfahren und -praktiken gegeben, deren Potenzial wir in experimentellen Settings erkunden. Praktische Impulse aus dem Feld der Performance Art sind integraler Bestandteil der Seminarstruktur und eröffnen körperleibliche Zugänge zur Dynamik von (handlungsleitenden) Denk- und Wahrnehmungsstrukturen. Gemeinsam mit der Künstlerin Evamaria Schaller schaffen und gestalten wir performative Erfahrungsräume, in denen kokreativ Körper, Konzepte, Material und Mitwelt in ihrer Komplexität erkundet und explorativ erschlossen werden. Prozessbegleitend treten wir in einen Austausch über das Erfahrene einschließlich der wechselseitigen Durchdringung von Theorie und Praxis ein. Darüber hinaus sind der Besuch einer Gastkünstler*in sowie eine Exkursion geplant.

Fußnote: Das mikrophänomenologische Gespräch ist nicht mit einem üblichen Dialog vergleichbar, in dem fragend und antwortend, im Austausch aufeinander eingegangen wird. Vielmehr gleicht es einem begleiteten Selbstdialog und einer selbstreflexiven Anleitung zum Lauschen auf eigenes gedankliches und spürbar wahrnehmbares Geschehen. Im Zentrum des Gesprächs steht die Wiedervergegenwärtigung eines Erfahrungsmoments, der aus der eigenen Sicht auf das Geschehen (Erste- Person-Perspektive) kleinschrittig entfaltet wird, um innewohnende Dynamiken und inhärente Strukturen zu erfassen. Mittels der Technik lassen sich Entscheidungsprozesse verfolgen, vorreflexive Anteile des Erlebten werden zugänglich und mitteilbar. 

 

Seminarleitung: Dr. Elke Mark, Evamaria Schaller
Veranstaltungsort: Villigst

Zeitraum: 12. - 17. August 2024
Dauer: 5 Tage

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